30 Juni 2025 KI kann viel, aber kein juristisches Maßschneidern leisten

Dank Künstlicher Intelligenz (KI) und intelligenter Suchmaschinen finden immer mehr Menschen problemlos verschiedenste juristische Dokumente online. Mit nur wenigen Eingaben generiert ChatGPT scheinbar in Sekundenschnelle einen maßgeschneiderten Vertrag. Diese Vorgehensweise wirkt effizient und kostensparend, doch der Schein trügt. Die Nutzung eines KI-generierten Vertrags ohne Prüfung durch eine Fachperson birgt Risiken. Unvollständige oder unklare Klauseln oder das Fehlen wesentlicher Bestandteile können zu (kostspieligen) Streitigkeiten zwischen den Parteien führen. Ein aktuelles Urteil des Bezirksgerichts Amsterdam verdeutlicht dies.

Was war der Sachverhalt?

Die Parteien schlossen einen Dienstleistungsvertrag, in dem der Beklagte für den Kläger Anlagegeschäfte tätigen sollte. Nach Ansicht des Klägers wurde der Auftrag jedoch nicht ordnungsgemäß ausgeführt. In der Vereinbarung war unter anderem geregelt, wie lange die Zusammenarbeit dauern sollte und welchen Betrag der Kläger investiert hatte. Eine zentrale Klausel lautete: Sollte ein Verlust von mehr als 15 % auf die gesamte Einlage eintreten, müsse der Beklagte den Kläger hierüber informieren. Anschließend sollte ein Gespräch zwischen den Parteien erfolgen, um die Anlagestrategie für das verbleibende Kapital zu überdenken. Nach Auffassung des Klägers war diese Regelung ein wesentlicher Bestandteil der Vereinbarung.

Der Beklagte gab an, dass er in Panik geraten sei, als die Investments an Wert verloren. Er informierte den Kläger daher nicht, und ein Gespräch über eine geänderte Strategie fand nicht statt.

In der Folge entstand Streit darüber, ob die Vereinbarung überhaupt rechtsgültig war, schließlich war sie mithilfe von ChatGPT oder einem anderen KI-Tool erstellt worden. Zudem wurde darüber gestritten, ob bei unterstellter Wirksamkeit eine Vertragsverletzung durch den Beklagten vorliege.

Wie urteilte das Gericht?

Das Gericht stellte klar, dass der Umstand, dass ein Vertrag mit Hilfe von ChatGPT oder einem anderen KI-Werkzeug erstellt wurde, dessen rechtliche Wirksamkeit nicht beeinträchtigt. Die vereinbarten Bestimmungen sind rechtlich verbindlich. Weiterhin war das Gericht der Auffassung, dass die angebliche Panik des Beklagten keine Rechtfertigung für die Nichterfüllung seiner vertraglichen Pflichten darstellt. Es liege eine Vertragsverletzung vor, da der Beklagte sich nicht an die Vereinbarungen gehalten habe. Diese Pflichtverletzung rechtfertige die Auflösung des Vertrags, da das Unterlassen der Warnung bei einem Verlust von mehr als 15 % keine geringfügige Vertragsverletzung darstelle.

Das Amtsgericht hat daher den Vertrag zwischen den Parteien aufgelöst. Der Beklagte wurde verpflichtet, die volle Einlagesumme an den Kläger zurückzuzahlen. Zwar können die bereits erbrachten Leistungen des Beklagten nicht rückgängig gemacht werden, das Gericht sprach ihnen jedoch keinen Wert zu. Das bedeutet, dass der Beklagte den investierten Betrag vollständig an den Kläger zurückzahlen muss.

Lesen Sie das vollständige Urteil hier.

Was bedeutet dieses Urteil für den Einsatz von KI in der juristischen Praxis?

Dieses Urteil zeigt, dass mit Hilfe von KI (etwa ChatGPT) erstellte Dokumente grundsätzlich rechtsgültig sein können. Die Form oder das verwendete Werkzeug, mit dem ein Vertrag zustande kommt, ist für dessen Gültigkeit nicht entscheidend. Dennoch gilt das nicht uneingeschränkt.

In einer aktuellen Entscheidung des Gerichts Midden-Nederland wurde einem „Agreement of Intent“ nur geringe Bedeutung beigemessen. Die Parteien hatten das Dokument nicht selbst erstellt, sondern ein englischsprachiges Muster aus dem Internet verwendet. Beide Parteien hatten nur unzureichende Englischkenntnisse und verstanden den Inhalt kaum. Zudem verwies das Dokument auf ein „foundation agreement“, eine Vertragsform, die im niederländischen Recht nicht existiert. Das Gericht stellte fest, dass die Parteien faktisch etwas unterzeichnet hatten, von dem sie lediglich aufgrund des Titels und der Auffindbarkeit im Internet annahmen, dass es „irgendwie schon passen“ würde. Dies führte jedoch nicht zu einem wirksamen Vertrag.

Diese Beispiele zeigen: Digitale Hilfsmittel, einschließlich KI, können Parteien zwar unterstützen, bieten jedoch keinerlei Garantie für die Wirksamkeit eines Vertrags. KI versteht den Kontext, die Absichten der Parteien und die juristischen Feinheiten nicht in dem Maße wie ein erfahrener Jurist.

Fazit

Für die juristische Praxis bedeutet dies: KI kann allenfalls unterstützend in der Vorbereitungsphase eingesetzt werden. Eine menschliche Prüfung und rechtliche Maßarbeit bleiben jedoch unerlässlich, um wirksame, verständliche und passgenaue Verträge zu erstellen, also Vereinbarungen, die im Streitfall auch tatsächlich Bestand haben.

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