Die jährliche Weihnachtsfeier ist für viele Unternehmen ein Höhepunkt: ein Anlass, um gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen das Jahr feierlich abzuschließen und die erzielten Erfolge zu feiern. Sie bietet zudem die Möglichkeit, Kolleginnen und Kollegen in einer informellen Atmosphäre besser kennenzulernen und eine kurze Auszeit vom Arbeitsalltag zu nehmen. In der Praxis enden solche Weihnachtsfeiern jedoch leider regelmäßig weniger festlich und führen sogar zu Kündigungen – manchmal sogar fristlos. Ist das gerechtfertigt? Und wo liegen die Grenzen zwischen geselligem Beisammensein und unerwünschtem Verhalten? Nachfolgend haben wir für Sie eine Reihe von Urteilen zusammengestellt, die zeigen, wie es (nicht) gemacht werden sollte.
Drei Flaschen Schnaps bei der Jahresabschlussfeier kosten den Supermarktleiter seinen Job
Ein Lidl-Supermarktleiter trank während eines Jahresabschlussballs in der Supermarktfiliale Alkohol, obwohl dies von seinem Arbeitgeber ausdrücklich untersagt worden war. Der Angestellte organisierte für sich und seine Kollegen einen Drink in der Kantine. Obwohl ein Kollege ihn im Vorfeld darauf hingewiesen hatte, dass der Konsum von Alkohol nicht erlaubt sei, war der betreffende Mitarbeiter der Ansicht, dass „das Trinken zum Job gehört“. Außerdem stellte sich heraus, dass drei Flaschen des bei dem Treffen ausgeschenkten Getränks aus dem Laden stammten und nicht ordnungsgemäß abgeschrieben worden waren.
Der Arbeitnehmer wurde daraufhin fristlos entlassen. Das Gericht von Zeeland-West-Brabant entschied, dass die fristlose Entlassung gerechtfertigt war. Es wurde festgestellt, dass der Arbeitnehmer gegen die Null-Toleranz-Politik von Lidl verstoßen hatte, wie sie im Personalhandbuch, im Arbeitsvertrag und in der Hausordnung beschrieben ist. Der Angestellte gab außerdem gegenüber einem Kollegen zu, dass bei der Jahresabschlussfeier Alkohol getrunken wurde und dass er sich bewusst war, dass dies nicht erlaubt war. Das Gericht folgte der Verteidigung des Arbeitnehmers nicht und entschied, dass die Aussagen der Kollegen ein zuverlässiges Bild ergaben. Die fristlose Entlassung wurde daher bestätigt.
Nach dem Weihnachtsumtrunk ins Auto zu steigen, ist kein guter Plan
Ein Projektmitarbeiter eines Transportunternehmens stieg nach dem alljährlichen Weihnachtsumtrunk in sein Auto und verursachte anschließend einen Verkehrsunfall. Zuvor hatte er mit einem Kollegen vereinbart, dass er die Nacht in einem der Lastwagen verbringen könnte, um nach dem Trinkgelage nicht nach Hause fahren zu müssen. Während dieses Gesprächs kam der Co-Direktor des Unternehmens herein und bestätigte die Vereinbarung zwischen den beiden. Nach den Getränken stieg der Arbeitnehmer jedoch trotzdem in sein Auto und fuhr davon. Anschließend verursachte er einen Verkehrsunfall mit einem Fahrzeug, bei dem das Auto eines Dritten und sein eigenes Auto beschädigt wurden. Der Arbeitnehmer kann sich nicht an den Unfall erinnern und wurde von einem Passanten nach Hause gebracht. Der Passant alarmierte die Polizei. Ein Atemalkoholtest ergab, dass der Mann einen Blutalkoholspiegel von mehr als 2 ‰ (das Vierfache der zulässigen Menge) hatte. Am Morgen nach dem Unfall informierte die Frau des Mitarbeiters seine Kollegen über die Firmen-App. Der Mitarbeiter wurde daraufhin am Montag vor dem Co-Direktor zur Rechenschaft gezogen. Einige Tage später wurde dem Mitarbeiter fristlos gekündigt.
Der Projektmitarbeiter focht die Entlassung vor dem Amtsgericht an. Das Amtsgericht entschied, dass die fristlose Entlassung gerechtfertigt war. Denn der Mitarbeiter klärt im Rahmen seiner Tätigkeit Autofahrer über sicheres Fahren auf, auch über den Umgang mit Alkohol im Straßenverkehr. Der Arbeitnehmer hat eine Vorbildfunktion und kann aufgrund des Vorfalls nicht mehr ernst genommen werden. Er ist auch Coach/Trainer für sicheres Fahren. In dieser Rolle sollte er glaubwürdig sein und einen guten Ruf haben. Davon kann nach dem Unfall nicht mehr die Rede sein. Die Entlassung war daher gerechtfertigt.
Der Arbeitnehmer ging gegen die Entscheidung des Amtsgerichts in Berufung, jedoch ohne Erfolg. Das Gericht wies den Einwand des Arbeitnehmers zurück, seine Arbeit bestehe nur darin, Informationen über den Kraftstoffverbrauch zu liefern. Das Gericht betonte, dass der Arbeitgeber sehr viel Wert auf sicheres Fahren und die Gefahren des Alkoholkonsums legt, unter anderem durch Aufklärung und Kontrollen. Obwohl sich die Arbeit des Arbeitnehmers auf den Kraftstoffverbrauch und die Schadensbegrenzung konzentriert, hat er auch eine Vorbildfunktion für sicheres Fahren. Auch der Einwand des Arbeitnehmers, der Unfall habe sich in seiner Freizeit ereignet, greift nicht. Schließlich fand der Alkoholkonsum bei einem Weihnachtsumtrunk statt, also bei einer arbeitsbezogenen Veranstaltung. Außerdem hat er sich nicht an die vorherigen Absprachen gehalten und sich mit einem (erheblich) überhöhten Alkoholpegel hinters Steuer gesetzt. Angesichts der Schwere des Alkoholkonsums und des hohen Risikos, das der Arbeitnehmer eingegangen ist, wird die fristlose Kündigung aufrechterhalten.
#MeToo bei Weihnachtsfeier kein Grund für fristlose Kündigung?
Ein ProRail-Mitarbeiter trank während einer Weihnachtsfeier Alkohol und belästigte dann eine Kollegin mit beleidigenden und verletzenden Bemerkungen. Außerdem begrapschte er sie mehrmals, obwohl die Kollegin ihn mehrmals bat, damit aufzuhören. Der anwesende Teamleiter griff ein, woraufhin der Mitarbeiter nach Hause geschickt wurde. Daraufhin kam es zu einer Reihe von Gesprächen mit dem Mitarbeiter, dem betreffenden Kollegen und anderen Kollegen. Als Ergebnis des Vorfalls und weiterer Untersuchungen wurde der Mitarbeiter fristlos entlassen.
Auch dieser Arbeitnehmer ging vor das Amtsgericht. Der Arbeitnehmer argumentierte, dass sein Verhalten keinen dringenden Grund für die Entlassung darstelle und dass die weitere Untersuchung fahrlässig und unter Verletzung der internen Vorschriften durchgeführt worden sei. Außerdem sei die Entlassung unverhältnismäßig gewesen. Demgegenüber argumentierte ProRail, dass die Entlassung angesichts der Schwere des Verhaltens und der Null-Toleranz-Politik von ProRail in diesem Bereich gerechtfertigt und verhältnismäßig sei.
Das Unteramtsgericht bestätigte die Tatsache, dass ProRail als Arbeitgeber verpflichtet ist, seinen Mitarbeitern ein sicheres Arbeitsumfeld zu bieten und unerwünschtes Verhalten, wie das des fraglichen Mitarbeiters, zu bekämpfen. Dies ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass ProRail das Verhalten anhand der im Verhaltenskodex aufgeführten Faktoren bewerten und die möglichen Sanktionen abwägen müsse, so das Unteramtsgericht. Dass ProRail meint, die Kündigung „passe in den aktuellen Kontext der #MeToo-Diskussion“, greift nach Ansicht des Amtsrichters zu kurz. Bei der fristlosen Kündigung handelte es sich um eine Maßnahme, die zu weit ging. ProRail hätte sich mit einer Abmahnung, auch in Verbindung mit einer vorübergehenden Suspendierung, begnügen können. Dies war dadurch gerechtfertigt, dass der betreffende Arbeitnehmer während seiner langjährigen (fast 40 Jahre) Beschäftigung noch nie ein unerwünschtes Verhalten gezeigt hatte und sein Verhalten bedauerte. Die fristlose Entlassung wurde vom Amtsgericht aufgehoben.
Nach dem Weihnachtsdiner einer politischen Partei in Den Haag gingen einige Kollegen in ein Café, darunter ein Praktikant und der Pressesprecher. Als die Praktikantin nach Hause fahren wollte, stellte sie fest, dass keine Züge mehr fuhren. Der Pressesprecher bot ihr an, bei ihm zu übernachten, woraufhin die Praktikantin im guten Glauben mit ihm ging. Auf dem Heimweg versuchte der Angestellte, die Praktikantin zu küssen und zu begrapschen. Die Praktikantin wollte dies nicht und geriet in Panik. Der Pressesprecher ließ sie daraufhin mitten in Den Haag zurück. Die Praktikantin meldete sich nach ihrer Rückkehr nach Hause krank. Einen Tag später traf sich der Arbeitgeber mit dem Pressesprecher, der eine offizielle Abmahnung erhielt.
Der Arbeitgeber beantragte beim Amtsgericht, den Arbeitsvertrag mit der betreffenden Arbeitnehmerin zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufzulösen, ohne ihr eine Übergangsvergütung zu gewähren. Der Arbeitnehmer verteidigte sich dagegen mit dem Argument, dass es keinen sexuellen Übergriff gegeben habe. Er räumt ein, die Praktikantin gegen ihren Willen auf den Mund geküsst zu haben, bestreitet aber, dass er sie angegriffen habe. Er argumentiert, es habe kein kontradiktorisches Verfahren gegeben und der Arbeitgeber habe sich entschieden, der Praktikantin zu glauben und nicht ihm.
Das Amtsgericht entschied, dass keine schwerwiegende schuldhafte Handlung oder Unterlassung vorlag. Das Arbeitsverhältnis sei jedoch schwerwiegend gestört, so dass die Fortsetzung des Arbeitsvertrages nicht verlangt werden könne. Das Landgericht löste den Arbeitsvertrag auf und stellte fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Übergangsgeld schuldet.
Ungerechtmäßige Entlassung trotz Berührungen und Lecken am Ohr
Ein Mitarbeiter von ABN AMRO benahm sich während einer Weihnachtsfeier in einem Café daneben. Nach einem Betriebsausflug ging der Arbeitnehmer mit anderen Kollegen in eine Kneipe, um auf eigene Kosten weiter zu trinken. Der Mitarbeiter trank an diesem Abend sichtlich zu viel. Er kann sich nur noch bruchstückhaft an den Abend erinnern. Anschließend beschwerte sich eine Kollegin über das Verhalten des Mitarbeiters. Er soll sie gegen ihren Willen begrapscht haben, ebenso wie andere Kolleginnen. Außerdem legte der Angestellte den Arm um eine Kollegin, die gerade gehen wollte, und leckte ihr über das Ohr. Eine ähnliche Situation ereignete sich bereits vor anderthalb Jahren, damals allerdings mit anderen Kollegen. Damals wurde jedoch keine Anzeige erstattet. Nach dem zweiten Vorfall beschloss der Arbeitgeber, die Arbeitnehmerin fristlos zu entlassen.
Der Arbeitnehmer wehrte sich dagegen. Er argumentiert, dass eine fristlose Entlassung eine zu harte Sanktion sei. Der Arbeitnehmer argumentiert, dass das Verhalten in der Freizeit stattfand und dass der Kollege nicht zu seinem Team gehörte. Außerdem sei er zuvor nicht abgemahnt und nur einmal vor eineinhalb Jahren auf sein Verhalten angesprochen worden. Außerdem habe er vor seiner Entlassung mit dem betreffenden Kollegen sprechen wollen, was jedoch von ABN AMRO verhindert worden sei. ABN AMRO hält es für wichtig, dass der Arbeitnehmer eine Führungsposition innerhalb des Unternehmens innehatte und dass die Kollegen sich von ihm abhängig fühlten. Nach Ansicht des Arbeitgebers hätte sich der Arbeitnehmer aufgrund der früheren Situation der Risiken bewusst sein müssen. ABN AMRO hält nur eine Sanktion für angemessen: die fristlose Entlassung.
Das Unteramtsgericht stufte das Verhalten des Mitarbeiters nicht als sexuelle Belästigung ein. Das Amtsgericht berücksichtigte, dass sich der Vorfall in einem belebten Café unter einer großen Zahl von Kollegen ereignete, bei denen sich die Kollegin sicher fühlte, dass der Mitarbeiter sichtlich betrunken war und dass die Kollegin den Mann relativ leicht abschütteln konnte, indem sie auf die Toilette ging. Ein dringender Grund liege nicht vor, so das Landgericht. Darüber hinaus hat die fristlose Entlassung sehr weitreichende finanzielle Folgen für den Arbeitnehmer, und er funktionierte gut. ABN AMRO wurde verurteilt, das entgangene Gehalt und die Prozesskosten zu zahlen. Der Antrag auf Wiedereinstellung wird abgelehnt, da dies aufgrund der Tatsache, dass der Arbeitnehmer jeglichen Respekt bei seinen Kollegen verloren hat, nicht möglich ist.
Fazit
Genießen Sie, aber bitte mit Maß und Ziel! Weihnachtsfeiern können eine gemütliche und festliche Möglichkeit sein, das Jahr ausklingen zu lassen, doch der (übermäßige) Konsum von Alkohol kann oft mehr schaden als nützen.
Haben Sie eine Frage zu einem arbeitsrechtlichen Konflikt (sei es im Zusammenhang mit einer Weihnachtsfeier oder anderweitig)? Oder haben Sie eine andere arbeitsrechtliche Fragestellung? Das Arbeitsrecht-Team von SPEE advocaten & mediation steht Ihnen gerne zur Verfügung!
Das Team von SPEE advocaten & mediation wünscht Ihnen frohe Weihnachten und ein erfolgreiches und gesundes neues Jahr!