13 Jan. 2025 Oberster Gerichtshof klärt „missbräuchliche“ Mietänderungsklauseln

Am 29. November beendete der Oberste Gerichtshof die Ungewissheit, die über den Köpfen der Vermieter schwebte, nachdem frühere Urteile entschieden hatten, dass eine vereinbarte Mieterhöhungsklausel im Wohnungseigentum gegen das europäische Recht verstößt. Eine Mieterhöhungsklausel, die eine jährliche Mieterhöhung von bis zu 3 % über den Inflationsausgleich hinaus vorsieht, wird grundsätzlich nicht als missbräuchlich angesehen (ECLI:NL:HR:2024:1780).

Frühere Rechtsprechung
In zwei früheren Rechtssachen ging es um die Frage, ob eine im liberalisierten Sektor verwendete Mietänderungsklausel mit einem Zuschlag von bis zu 3 % zusätzlich zu einer auf dem Verbraucherpreisindex basierenden Indexierungsklausel missbräuchlich im Sinne der Richtlinie 93/13 ist. Würde die gesamte Klausel (sowohl die Inflationskomponente als auch die Aufschlagskomponente) als missbräuchlich angesehen, hätte dies weitreichende Folgen für Vermieter, da alle in der Vergangenheit gezahlten Erhöhungen zurückgezahlt werden müssten. Diese Fälle veranlassten das Amtsgericht Amsterdam, dem Obersten Gerichtshof Fragen zum Umfang und zu den Folgen der Nichtigkeit einer missbräuchlichen Mieterhöhungsklausel vorzulegen, einschließlich der Möglichkeit einer Aufteilung zwischen dem missbräuchlichen und dem angemessenen Teil der Klausel, der Möglichkeit der Verrechnung der gezahlten Mieterhöhungen mit einem geltend gemachten Mietrückstand, der Verjährung oder einer anderen Möglichkeit der Beschränkung der Rückforderung.

Vorlagefragen
Der Oberste Gerichtshof hat dieser Unsicherheit nun ein Ende gesetzt und die folgenden Fragen beantwortet:

  1. Ist eine Mietzinsänderungsklausel, die sowohl eine Indexierungs- als auch eine Aufbewarungskomponente enthält, als eine einzige Klausel oder als zwei getrennt anfechtbare Klauseln zu betrachten?
  2. Ist eine Aufbewahrungsklausel von bis zu 3 % eine missbräuchliche Klausel?
  3. Welche Folgen hat es, wenn eine missbräuchliche Klausel unwirksam ist?
  4. Was soll und kann das Gericht von Amts wegen tun, wenn eine missbräuchliche Klausel vorliegt?
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Frage 1: Ist eine Mietänderungsklausel, die sowohl eine Indexierungs- als auch eine Aufbewahrungskomponente enthält, als eine Klausel oder als zwei getrennt überprüfbare Klauseln anzusehen?
Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs sollte das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des betreffenden Vertrags und der einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts nach objektiven Maßstäben beurteilen, ob die missbräuchliche Komponente einer Klausel in einer vertraglichen Verpflichtung besteht, die von den anderen Klauseln getrennt ist und deren Missbräuchlichkeit gesondert geprüft werden kann. Dabei geht es um die Frage, ob zwei Klauseln oder zwei Teile einer Klausel aus materiellen Gründen, wie etwa dem Zweck oder der Funktion der Klauseln oder Teile davon, getrennt werden können. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um eine einzige Klausel oder um mehrere Klauseln aus rein textlicher Sicht handelt. Der durch die Richtlinie 93/13 gewährte Schutz könnte ansonsten leicht durch die Art und Weise, wie die Vertragsklauseln formuliert oder abgefasst sind, beeinträchtigt werden.

Eine Indexierungsklausel und eine Aufbewahrungsklausel haben unterschiedliche Zwecke. Eine Indexierungsklausel zielt darauf ab, eine Geldentwertung auszugleichen. Der Zweck einer Aufbewahrungsklausel besteht in der Regel darin, Kostensteigerungen zu Lasten des Vermieters, die über die Inflation hinausgehen, auszugleichen und den Mietzins an die Wertentwicklung der Immobilie anzupassen.

Der Oberste Gerichtshof entschied daher, dass sich die Aufbewahrungsklausel und die Indexierungsklausel aus materiellen Gründen unterscheiden. Eine Aufbewahrungsklausel im Mietvertrag ist von einer Indexierungsklausel, wie sie in derselben Bestimmung enthalten ist, im Hinblick auf die Beurteilung ihrer Missbräuchlichkeit zu unterscheiden. Die Missbräuchlichkeit der Aufbewahrungsklausel kann und muss daher gesondert geprüft werden. Dies ändert nichts an der Tatsache, dass die (kumulative) Wirkung der anderen Klausel bei dieser Prüfung berücksichtigt werden sollte.

Wenn also die Aufbewahrungsklausel als missbräuchlich angesehen wird, hat dies grundsätzlich keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Indexierungsklausel.

Frage 2: Ist eine Aufbewahrungsklausel von bis zu 3 % eine missbräuchliche Klausel?
Die nächste Frage lautete, ob eine Aufbewahrungsklausel, die den Mieter zur Zahlung eines jährlichen Zuschlags auf die Miete von bis zu 3 % zusätzlich zur Indexierung nach dem Verbraucherpreisindex verpflichtet, missbräuchlich im Sinne der Richtlinie 93/13 ist.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs ist diese Frage grundsätzlich zu verneinen. Die Begründung lautet wie folgt:

  • Bei einem Wohnraummietvertrag handelt es sich um einen langfristigen Vertrag, der in der Regel für einen längeren Zeitraum abgeschlossen wird. Der Vermieter kann das Mietverhältnis nur aus bestimmten Gründen kündigen. Daher hat der Vermieter ein berechtigtes Interesse daran, die Ausgangsmiete jährlich anzupassen, unter anderem im Zusammenhang mit der Geldentwertung. Der Mieter hat ein berechtigtes Interesse daran, dass die Miete bezahlbar bleibt.
  • Die finanziellen Folgen einer Aufbewahrungsklausel mit einem jährlichen Höchstsatz von 3 % sind für den Mieter vorhersehbar, weil die Häufigkeit der Mietänderung, die Berechnung der Mieterhöhung und die maximale Mieterhöhung festgelegt sind. Obwohl es für den Mieter nicht vorhersehbar ist, in welchem Umfang und aus welchen Gründen der Vermieter die Aufbewahrungsklausel anwenden wird, und eine Anwendung der Klausel durch den Vermieter für den Mieter in der Praxis nur schwer überprüfbar ist, ist es für den Mieter bei der Beurteilung der möglichen Folgen der Klausel besonders wichtig, vorhersehen zu können, um welchen maximalen Prozentsatz und wie oft die Miete erhöht werden kann.
  • Bei einem unbefristeten Mietvertrag hat der Mieter die Möglichkeit, den Mietvertrag zu kündigen, wenn der Vermieter die Miete aufgrund der Mietänderungsklausel erhöht. Allerdings wird der Mieter von dieser Möglichkeit nicht so schnell Gebrauch machen (können), insbesondere in Zeiten eines angespannten Wohnungsmarktes.
  • Die niederländischen Rechtsvorschriften für den liberalisierten Mietsektor gehen von der Prämisse aus, dass der Vermieter ein berechtigtes Interesse daran hat, die Miete jährlich zu ändern. Das am 1. Mai 2021 in Kraft getretene Gesetz über maximale Mieterhöhungen (liberalisierte Mietverträge) und das am 1. Juli 2024 in Kraft getretene Gesetz über erschwingliche Mieten gehen von der Existenz und Zulässigkeit einer Mietänderungsklausel aus. Das Gesetz über maximale Mieterhöhungen und das Gesetz über erschwingliche Mieten regeln zwingend die maximal zulässige jährliche Mieterhöhung, wobei ein maximaler Prozentsatz für Zuschläge auf die Mietindexierung vorgeschrieben ist. Abschnitt 7:248(3) des Bürgerlichen Gesetzbuchs sieht für Mietverträge über Wohnraum im liberalisierten Sektor vor, dass die Klausel in dem Maße, in dem die Anwendung einer Mietpreisüberprüfungsklausel zu einer Mieterhöhung über das gesetzlich zulässige Maß hinaus führt, in diesem Umfang nichtig ist und die Miete dann als um die maximal zulässige Erhöhung erhöht gilt.
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Der Oberste Gerichtshof kam daher zu dem Schluss, dass eine Aufbewahrungsklausel als solche nicht als missbräuchlich einzustufen ist. Auch eine Klausel, die einen Zuschlag von bis zu 3 % vorsieht, ist nicht missbräuchlich, weil dieser Prozentsatz vernünftigerweise notwendig sein kann, um dem Vermieter die Erreichung der genannten Ziele der Zuschlagsklausel zu ermöglichen, während die finanziellen Folgen für den Mieter bei Abschluss des Mietvertrags vorhersehbar waren und die jährliche Mietzinserhöhung bei einem Höchstwert dieses Prozentsatzes in der Regel in einem akzeptablen Rahmen bleibt. Dies kann jedoch im Einzelfall aufgrund zusätzlicher Umstände, die bei Abschluss des Mietvertrages eingetreten sind, anders sein.

Frage 3: Folgen der Nichtanwendung einer missbräuchlichen Klausel
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine für missbräuchlich befundene Aufbewahrungsklausel unwirksam und der Zustand, in dem sich der Mieter ohne diese Klausel rechtlich und tatsächlich befunden hätte, wiederherzustellen, sofern der Mieter nicht widerspricht. Eine Mietzinserhöhung auf der Grundlage einer für missbräuchlich befundenen Aufbewahrungsklausel ist daher weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft möglich. Außerdem ist jede vom Mieter aufgrund einer missbräuchlichen Aufbewahrungsklausel gezahlte Mieterhöhung eine unzulässige Zahlung im Sinne von Artikel 6:203 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, so dass der Mieter grundsätzlich einen Anspruch auf Rückzahlung hat.

Frage 4: Was muss und darf das Gericht von Amts wegen tun?
Bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Klage auf Zahlung rückständiger Miete muss das Gericht von Amts wegen eine Mieterhöhung aufgrund einer missbräuchlichen Klausel außer Acht lassen. Gibt das Gericht also im Falle der Missbräuchlichkeit einer Aufbewahrungsklausel der Klage auf Zahlung von Mietrückständen statt, so muss es von Amts wegen einen Abzug in Höhe der aufgrund der Aufbewahrungsklausel vorgenommenen Mieterhöhungen von dem Betrag der zu gewährenden Mietrückstände vornehmen. Dies bedeutet nicht, dass das Gericht nur die zu Beginn festgelegte Miete zusprechen kann. So bleiben Indexierungen, die in der Vergangenheit auf der Grundlage einer Indexierungsklausel vorgenommen wurden, die nicht als missbräuchlich befunden wurde, unberührt.

Das Gericht darf die Forderung eines Mieters für Mietrückstände nicht mit seiner Forderung gegen den Vermieter wegen unrechtmäßiger Zahlung für vergangene Mieterhöhungen, die auf der Grundlage der missbräuchlichen Klausel gezahlt wurden, verrechnen. Dies ergibt sich aus Artikel 6:127 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs, der vorsieht, dass, wenn ein zur Aufrechnung berechtigter Schuldner gegenüber seinem Gläubiger erklärt, dass er seine Schuld mit einer Forderung verrechnen wird, beide Verpflichtungen in ihrer gemeinsamen Höhe erlöschen. Die Aufrechnung muss also geltend gemacht werden.

Beruht die Höhe des Mietzinses zum Teil auf der Anwendung einer missbräuchlichen Klausel, sollte das Gericht bei der Beurteilung eines Anspruchs des Vermieters auf Auflösung des Mietvertrags und Räumung des Mietobjekts wegen Nichterfüllung der Mietzahlungspflicht von Amts wegen prüfen, ob die Nichterfüllung nach den Umständen des Falles die Auflösung rechtfertigt (auf der Grundlage der „es sei denn“-Bestimmung von Artikel 6:265 Absatz 1 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs). Dabei kann von Bedeutung sein, ob der Mieter in der Vergangenheit aufgrund der Anwendung einer für missbräuchlich befundenen Klausel zu viel Miete gezahlt hat, auch in Bezug auf den Umfang der Mietrückstände.

Fazit
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs schafft Klarheit über die Gültigkeit von Mietänderungsklauseln. Ein Aufschlag von bis zu 3 % auf eine VPI-Indexierung wird im Prinzip nicht als missbräuchlich angesehen. Der Oberste Gerichtshof lässt jedoch Raum für die Berücksichtigung der individuellen Umstände. Außerdem betont er, dass sich die Mieter ausdrücklich auf die Aufrechnung berufen müssen.

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