Mit anderen Worten: Kann sich der Arbeitgeber auf einen objektiven Rechtfertigungsgrund berufen?
In einem aktuellen Urteil hat sich das Amtsgericht Rotterdam mit der Frage befasst, ob eine Arbeitnehmerin während ihrer Krankmeldung Nebentätigkeiten ausüben durfte, obwohl ihr Arbeitsvertrag ein entsprechendes Verbot enthielt. Der Arbeitgeber wollte sich auf dieses Verbot berufen – aber hatte er damit vor Gericht Erfolg?
Der Fall in Kürze
In dem betreffenden Fall meldete sich eine Arbeitnehmerin krank. Während ihrer Krankheitszeit hielt sie jedoch ohne vorherige Mitteilung an ihren Arbeitgeber eine Präsentation auf einer geschäftlichen Veranstaltung. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Nebentätigkeitsklausel , wonach solche Tätigkeiten nur mit schriftlicher Zustimmung des Arbeitgebers erlaubt waren. Im Falle eines Verstoßes schuldete die Arbeitnehmerin eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts.
Der Arbeitgeber behielt diese Vertragsstrafe bei der Endabrechnung ein, mit der Begründung, die Arbeitnehmerin habe gegen die Nebentätigkeitsklausel verstoßen. Darüber hinaus argumentierte er, die Arbeitnehmerin sei tatsächlich nicht krank gewesen, sondern habe an ihrem eigenen Unternehmen gearbeitet. Zudem führte der Arbeitgeber an, dass das Halten einer Präsentation während der Krankheit den Genesungsprozess behindert haben könne.
Erwägungen des Gerichts
Das Amtsgericht folgte dieser Argumentation nicht. Die Berufung auf eine Nebentätigkeitsklausel erfordert nach § 7:653a niederländisches Bürgerliches Gesetzbuch eine objektive Rechtfertigung. Diese muss zwar nicht in der Klausel selbst genannt werden, muss jedoch zum Zeitpunkt der Berufung darauf vom Arbeitgeber dargelegt werden.
Die bloße Feststellung, dass eine krankgeschriebene Arbeitnehmerin auf einer Veranstaltung spricht, reicht hierfür nicht aus. Zudem stand das Argument, die Arbeitnehmerin sei gar nicht krank gewesen, im Widerspruch zur Behauptung, die Tätigkeit habe die Genesung behindert – denn wer nicht krank ist, muss auch nicht genesen. Das Gericht stellte fest, dass der Arbeitgeber nicht hinreichend begründet habe, warum in diesem Fall eine Nebentätigkeit unzulässig sein sollte.
Mangels objektiver Rechtfertigung erklärte das Gericht die Klausel über Nebentätigkeiten für nichtig. Die Vertragsstrafe hätte daher nicht vom Gehalt einbehalten werden dürfen.
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Was bedeutet dieses Urteil für die Praxis?
Arbeitgeber, die Nebentätigkeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit einschränken wollen, müssen sich bewusst sein, dass sie gemäß § 7:653a niederländisches Bürgerliches Gesetzbuch konkret darlegen müssen, warum eine solche Einschränkung notwendig ist. Für die Praxis bedeutet das:
- Eine Standard-Nebentätigkeitsklausel ist nicht in jedem Fall ausreichend.
- Die Verweigerung einer Zustimmung bedarf einer konkreten und objektiv gerechtfertigten Begründung, z. B. aus Gründen der Sicherheit, Gesundheit, Wettbewerbsvermeidung oder Vertraulichkeit.
- Auch während einer Krankheit darf die Zustimmung nur dann verweigert werden, wenn nachweislich die Nebentätigkeit die Genesung behindert oder andere legitime Interessen verletzt.
- Widersprüchliche Behauptungen – etwa „die Arbeitnehmerin ist nicht krank“ und zugleich „sie behindert ihre Genesung“ – untergraben die Glaubwürdigkeit der Argumentation.
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Fazit
Dieses Urteil zeigt, dass Arbeitgeber beim Beruf auf eine Nebentätigkeitsklausel – insbesondere im Zusammenhang mit Krankheit – Zurückhaltung üben sollten. Allein der Umstand, dass eine Arbeitnehmerin krankgeschrieben ist und dennoch Aktivitäten ausübt, begründet noch keinen gerechtfertigten Grund für ein Verbot. Die objektive Rechtfertigung muss in einem tatsächlichen Zusammenhang mit legitimen Interessen wie Gesundheit, Genesung oder dem betrieblichen Ablauf stehen.
Für Arbeitgeber ergibt sich daraus die Notwendigkeit, ein gut begründetes und sorgfältiges Vorgehen zu wählen. Arbeitnehmer hingegen können sich durch dieses Urteil gestärkt fühlen: Nebentätigkeiten sind grundsätzlich erlaubt, sofern der Arbeitgeber nicht objektiv und nachvollziehbar darlegt, weshalb sie unzulässig sein sollen.
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