10 Dez. 2025 Schadensersatzpflicht bei abgebrochenen Verhandlungen

Wann ist bei abgebrochenen Verhandlungen Schadensersatz zu leisten, wenn die Parteien eine Absichtserklärung unterzeichnet haben?

Bei komplexen Übernahmeprozessen ist es bei geschäftlichen Parteien nicht ungewöhnlich, dass die Verhandlungen letztendlich zu keiner Einigung führen. Aber wann kann sich eine Partei ohne Konsequenzen zurückziehen? Und wann kann dies zu einer Haftung wegen unrechtmäßiger Abbruch der Verhandlungen führen?

In einem aktuellen Urteil des Amsterdamer Gerichts vom 8. Oktober 2025 standen genau diese Fragen im Mittelpunkt. Die Parteien verhandelten über die Übernahme von Unternehmen, die sich mit der Veredelung von (Zier-)Pflanzen und Beerenobst befassten. Es wurde eine umfassende Due-Diligence-Prüfung durchgeführt, es wurden Entwürfe für Kaufverträge ausgetauscht und es wurde sogar eine Arbeitsreise nach Spanien organisiert, um mit einem wichtigen Mitgesellschafter zu sprechen. Dennoch scheiterte der Prozess in einer späteren Phase. Der Verkäufer zog sich zurück und der Käufer forderte Schadenersatz.

Das Gericht wies die Ansprüche des Käufers jedoch zurück.

Warum kein Schadenersatz?

Die Parteien hatten zwei Absichtserklärungen, sogenannte Letters of Intent (LOI), geschlossen.

In beiden Absichtserklärungen war ausdrücklich festgelegt, dass ein verbindlicher Vertrag erst bei vollständiger schriftlicher Übereinstimmung zustande kommen würde und dass eine Reihe spezifischer Bedingungen erfüllt sein mussten, darunter (i) die Zustimmung mehrerer Anteilseigner und (ii) die Einigung der Parteien über die endgültigen Transaktionsunterlagen. Darüber hinaus war festgelegt, dass die Parteien die Verhandlungen jederzeit und ohne Angabe von Gründen beenden konnten. Außerdem war festgelegt, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, auch wenn es nicht zu einer Transaktion kommen sollte.

Das Gericht prüfte, ob der Verkäufer beim Käufer das berechtigte Vertrauen geweckt hatte, dass die Verhandlungen zu einer endgültigen Vereinbarung führen würden, und ob es nach Maßstäben der Angemessenheit und Billigkeit unzumutbar wäre, wenn der Verkäufer die Verhandlungen in der gegebenen Phase abbrechen würde. Das Gericht schließt sich hier dem strengen Maßstab des Obersten Gerichtshofs vom 12. August 2005 an und betont, dass nur mit Zurückhaltung davon ausgegangen werden kann, dass die Beendigung von Verhandlungen nach Maßstäben der Angemessenheit und Billigkeit unzumutbar ist.

Nach Ansicht des Gerichts hatte der Verkäufer beim Käufer kein berechtigtes Vertrauen geweckt, dass die Verhandlungen zu einem unterzeichneten Vertrag führen würden. Das Gericht entschied, dass ein solches Vertrauen nicht gegeben war, da die Bedingungen aus den Absichtserklärungen nicht erfüllt waren und somit auch keine endgültige Einigung zwischen den Parteien erzielt worden war.

Kurz gesagt war das Gericht daher der Ansicht, dass die Verhandlungen rechtmäßig beendet werden konnten, ohne dass der Verkäufer schadensersatzpflichtig war.

Lesen Sie die vollständige Entscheidung des Gerichts hier und das Urteil des Obersten Gerichtshofs hier.

Tipps für die Praxis

Die Entscheidung macht deutlich, dass der Inhalt einer Absichtserklärung bei einem Streit über abgebrochene Verhandlungen entscheidend sein kann..

  • Wer einen Übernahme- oder Investitionsprozess beginnt, tut daher gut daran, den Inhalt einer Absichtserklärung bewusst und präzise zu formulieren und dabei ausdrücklich festzulegen, wann ein Vertrag zustande kommt und wann nicht. Verwenden Sie eine klare Sprache: Wann ist der Vertrag verbindlich und wann nicht? Und zu welchem Zeitpunkt? Unklarheiten führen schnell zu Streitigkeiten.
  • Denken Sie beispielsweise an eine Bestimmung, dass Mitgesellschafter dem Abschluss des Vertrags zustimmen müssen, oder legen Sie fest, welche Ergebnisse der Due-Diligence-Prüfung dazu führen können, dass die Transaktion nicht zustande kommt. Je spezifischer, desto besser.
  • Wünschen Sie Exklusivität von einer Partei? Halten Sie dies in der Absichtserklärung fest. Fehlt die Exklusivität, kann die andere Partei einfach mit anderen Parteien verhandeln.
  • WhatsApp- und E-Mail-Nachrichten spielten im vorliegenden Fall eine wichtige Rolle. Achten Sie darauf, dass Ihre (interne) Kommunikation in solchen Verhandlungen mit Ihren Absichten übereinstimmt, um unerwünschte Zusagen zu vermeiden.

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Schlussfolgerung

Aus diesem Urteil folgt, dass es den Parteien freisteht, Verhandlungen auch in einem fortgeschrittenen Stadium abzubrechen, solange kein berechtigtes Vertrauen darauf geweckt wurde, dass ein Vertrag zustande kommen würde, und die Beendigung nach Maßstäben der Angemessenheit und Billigkeit nicht unzumutbar ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn in einer Absichtserklärung die Freiheit zur Beendigung eindeutig festgehalten ist und die Bedingungen aus der Absichtserklärung für eine endgültige Vereinbarung noch nicht erfüllt sind.

Wenn Sie beabsichtigen, einen Übernahmeprozess einzuleiten, sollten Sie die rechtlichen Risiken im Vorfeld begrenzen, indem Sie die gegenseitigen Verpflichtungen in einer klaren und wasserdichten Absichtserklärung festhalten.

Haben Sie oder Ihre Organisation Fragen zu den Verhandlungen im Rahmen einer Übernahme oder benötigen Sie Hilfe bei der Ausarbeitung einer Absichtserklärung oder anderer Übernahmedokumente? Dann wenden Sie sich bitte an die Unternehmensrechtsspezialisten von SPEE advocaten & mediation. Sie stehen Ihnen mit kompetenter Beratung im Bereich des Unternehmensrechts zur Verfügung.

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