Fakten
Nach 27 Jahren Beschäftigung teilte der Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin mit, dass er ihren Arbeitsvertrag kündigen möchte, weil sie keine guten Arbeitsleistungen erbracht hat. Der fraglichen Kündigung ging weder ein Verbesserungsprozess voraus, noch wurde die Arbeitnehmerin zuvor auf ihre Arbeitsleistung angesprochen. Der Arbeitgeber stellte einen Antrag auf Kündigung und die Arbeitnehmerin wurde suspendiert. Wie entscheidet das Amtsgericht?
Das Urteil des Amtsgerichts
Das Amtsgericht kündigte den Arbeitsvertrag und sprach dem Arbeitnehmer eine angemessene Entschädigung in Höhe von 115.000 Euro zu, da der Arbeitgeber nach Ansicht des Amtsgerichts grob schuldhaft gehandelt hat.
Der Arbeitgeber kündigte dem Arbeitnehmer nämlich am 23. Februar 2023 völlig überraschend und auf der Grundlage unbegründeter Behauptungen, wie das Amtsgericht feststellte, dass er das Vertrauen in den Arbeitnehmer verloren hat und den Arbeitsvertrag kündigen möchte.
Der Arbeitgeber leitete daraufhin ein Kündigungsverfahren ein, obwohl die vermeintliche Arbeitsstörung sachlich nicht begründet war.
Das Amtsgericht stellte sich auf den Standpunkt, dass die Arbeitnehmerin damit keine Chance hatte, ihre Leistung zu verbessern - sofern überhaupt eine Arbeitsstörung festgestellt wurde und damit schwer schuldhaft gehandelt.
Das Amtsgericht stellte außerdem fest, dass der Arbeitgeber mit dieser Vorgehensweise eine irreparable Störung des Arbeitsverhältnisses nach mehr als 27 Dienstjahren verursacht hat.
Nachdem die Arbeitgeberin vom Amtsgericht erfahren hat, wie es auf ihren Auflösungsantrag hin zu entscheiden gedenkt, zieht sie den Antrag auf Kündigung zurück.
Der Arbeitnehmer reicht jedoch eine Widerklage ein, mit welcher die Kündigung des Arbeitsvertrags und die Zahlung einer angemessenen Entschädigung verlangt wird.
Der Arbeitsvertrag ist mit der Zuerkennung der genannten angemessenen Entschädigung weiterhin gekündigt.
Das Urteil können Sie hier lesen.
Schlussfolgerung
Liegt eine (vermeintliche) Arbeitsstörung vor, ist es wichtig, dass diese ordnungsgemäß dokumentiert und auch mit dem betreffenden Mitarbeiter besprochen wird. Es ist auch wichtig, dem Arbeitnehmer eine Chance zu geben, seine Leistung zu verbessern. Daher kann ein Antrag auf Kündigung des Arbeitsvertrags nicht einfach eingereicht werden, ohne dass ein Dossier erstellt wurde und/oder ohne dass ein Verbesserungsplan vorliegt, ohne dass dies weitreichende Folgen hat und (wie in diesem Urteil) dazu führt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine erhebliche Entschädigung zahlen muss. Es ist daher immer ratsam, in entsprechenden Fällen einen spezialisierten Arbeitsrechtler einzuschalten, der ein solches Verfahren begleiten kann. Die Arbeitsrechtler von SPEE advocaten und mediation helfen Ihnen gerne weiter.