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31 Mrz 2021 Verpflichtung zur Teilnahme an einem branchenweiten Pensionsfonds bei grenzüberschreitender Beschäftigung

Gilt eine verpflichtende Teilnahme an einem branchenweiten Pensionsfonds auch für Mitarbeiter, die für ein niederländisches Unternehmen arbeiten, aber grenzüberschreitend? Das ist eine Frage, die so manchen international ausgerichteten Arbeitgeber beschäftigt.

Ein branchenweiter Pensionsfonds ist ein Pensionsfonds für Arbeitnehmer, die in einer bestimmten Branche arbeiten, z. B. im Bau- oder Transportsektor. Eine verpflichtende Teilnahme an einem solchen Branchenpensionsfonds ergibt sich aus dem Gesetz über die verpflichtende Teilnahme an einem Branchenpensionsfonds 2000 (im Folgenden: Gesetz). Die daraufhin erlassene Verordnung über die Pflichtmitgliedschaft enthält weitere Bestimmungen über den Geltungsbereich, anhand derer bestimmt werden kann, für welche Arbeitgeber und Personengruppen die Pflichtmitgliedschaft gilt.

In den letzten Jahren stellt sich die Frage, ob eine solche Verpflichtung auch für Arbeitnehmer gilt, die bei einem niederländischen Unternehmen angestellt sind, aber grenzüberschreitende Arbeit leisten. Angesichts eines kürzlich ergangenen Urteils des Court of Appeal scheint dies tatsächlich der Fall zu sein. Am 19. Januar 2021 entschied das Berufungsgericht Arnheim-Leeuwarden, dass Arbeitnehmer, die bei einem in den Niederlanden ansässigen Unternehmen beschäftigt sind, aber die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in Deutschland wohnen und ihre Arbeit (überwiegend) in Deutschland verrichten, unter bestimmten Umständen der Verpflichtung des Industriellen Rentenfonds für das Transportwesen unterliegen können. Die Erwägungen des Berufungsgerichts werden im Folgenden erörtert und sind auch für andere Situationen der grenzüberschreitenden Beschäftigung relevant.

Der Streitfall

Der Arbeitgeber ist ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen, das im gewerblichen Straßentransport tätig ist. Der Arbeitgeber hat neunzig Arbeitnehmer, von denen zehn in Deutschland wohnen und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Nach Angaben der Industriellen Pensionskasse für das Verkehrswesen müssen sich auch diese zehn Arbeitnehmer der Pensionskasse anschließen, da es sich bei der Pflichtmitgliedschaft um ein besonders zwingendes Recht im Sinne von Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (im Folgenden: Rom I) handelt. Darüber hinaus trägt die Pensionskasse zur Begründung vor, dass in den Arbeitsverträgen niederländisches Recht gewählt worden sei, dass die Niederlande das Land sei, von dem aus die deutschen Arbeitnehmer ihre Arbeit verrichteten, dass die Niederlande das Land sei, in dem sich das Büro der Beklagten befinde, und dass keine offensichtlich engere Verbindung zu Deutschland bestehe. Nach Auffassung des Arbeitgebers üben die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit tatsächlich überwiegend in Deutschland aus, so dass Deutschland als Land der gewöhnlichen Beschäftigung zu bestimmen ist. Außerdem bauen die Mitarbeiter bereits in Deutschland eine Rente der zweiten Säule auf, so dass ein Anschluss an die Industrielle Pensionskasse für das Transportwesen zu einer unerwünschten Kumulation und einer steuerlich zu hohen Rente führen würde.

Haftung und anwendbares Recht auf Grund der Rechtswahl
In den Arbeitsverträgen mit den deutschen Mitarbeitern wurde niederländisches Recht gewählt. Auf der Grundlage von Artikel 3 und Artikel 8 (1) von Rom I ist eine solche Rechtswahl gültig. Aus dieser Rechtswahl ergibt sich nach Ansicht des Berufungsgerichts, dass auf das Rechtsverhältnis die Bestimmungen des Bpf-Gesetzes und der darauf basierenden Pflichtversicherungsverordnung Anwendung finden, da diese gesetzlichen Regelungen Teil der niederländischen Rechtsordnung sind.

Haftung und anwendbares Recht ohne Rechtswahl
Wurde im Arbeitsvertrag keine Rechtswahl getroffen, enthält Artikel 8 Absatz 2 bis einschließlich Absatz 4 Rom I Rechtswahlregeln zur Bestimmung des anwendbaren Rechts. Auf der Grundlage dieser Kollisionsnormen prüft das Berufungsgericht, welches Recht in Ermangelung einer ausdrücklichen Rechtswahl in diesem Fall gelten würde.

Das Land des gewöhnlichen Aufenthalts
Aus Art. 8 Abs. 2 Rom I folgt, dass das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ohne Rechtswahl dem Recht des Staates unterliegt, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich arbeitet oder von dem aus er gewöhnlich arbeitet. Das Berufungsgericht hat die im Urteil Koelzsch (ECLI:EU:C:2011:151) formulierten Gesichtspunkte herangezogen, um zu beurteilen, von welchem Land aus die deutschen Arbeitnehmer gewöhnlich ihre Arbeit (überwiegend) verrichten. Relevant ist u. a. der Ort, von dem aus der Arbeitnehmer seine Arbeit verrichtet, wo er seine Anweisungen erhält, wo sich die Arbeitsmittel befinden, wo der Transport hauptsächlich durchgeführt wird und an welchen Ort der Arbeitnehmer nach seinen Einsätzen zurückkehrt.

Für jeden Mitarbeiter stellt der Hof fest, wo er prozentual gesehen seine Arbeit verrichtet. Nach Angaben des Gerichts verrichten fünf der deutschen Arbeitnehmer (der Einfachheit halber Arbeitnehmer 1, 2, 3, 4 und 5) ihre Arbeit gewöhnlich in den Niederlanden. Dies liegt daran, dass sie einen relevanten Teil ihrer Aufträge in den Niederlanden ausführen, die LKWs niederländische Kennzeichen haben und vier dieser fünf Mitarbeiter auch ihre Abholorte in den Niederlanden haben. Anders verhält es sich bei den anderen fünf deutschen Mitarbeitern (Mitarbeiter 6, 7, 8, 9 und 10). Sie erhalten ihre Anweisungen in Deutschland, führen ihre Aufgaben von Deutschland aus durch, und auch ihre Transporte werden hauptsächlich in Deutschland abgewickelt. Hätten die Parteien im Arbeitsvertrag auf die Rechtswahl verzichtet, wäre für die Mitarbeiter 6-10 deutsches Recht anwendbar gewesen.

Ort der Niederlassung des Arbeitgebers
Was ist, wenn das anwendbare Recht nicht nach Absatz 2 bestimmt werden kann? Dann unterliegt der Vertrag gemäß Absatz 3 dem Land, in dem sich der Sitz des Arbeitgebers befindet.
In diesem Fall ist der Sitz des Arbeitgebers nicht mehr relevant, da für alle deutschen Arbeitnehmer das Land bestimmt werden kann, von dem aus sie ihre Tätigkeit gewöhnlich ausüben. Wenn das Land der gewöhnlichen Beschäftigung nicht ermittelt werden konnte, unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Landes, in dem sich die Betriebsstätte befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat.

Dann kommt das Gericht zu Absatz 4 des Artikels 8 Rom I. Besteht trotz des Vorstehenden (Absatz 2 oder 3) eine engere Verbindung zu einem anderen Staat, so gilt das Recht dieses Staates. Die Rechtsprechung hat auch Gesichtspunkte für die Beurteilung der engeren Verbindung formuliert (Urteil Schlecker, ECLI:EU:C:2013:551). So ist z. B. zu berücksichtigen, in welchem Land der Arbeitnehmer Steuern und Abgaben auf das Einkommen zahlt, in welchem Land der Arbeitnehmer dem Sozialversicherungssystem angeschlossen ist und nach welchen Kriterien das Gehalt und die Beschäftigungsbedingungen festgelegt werden. Nach Ansicht des Pensionsfonds besteht eine engere Verbindung zu den Niederlanden wegen der Zahlung von Steuern, während nach Ansicht des Arbeitgebers eine engere Verbindung zu Deutschland wegen der Altersversorgung in Deutschland besteht.

Das Berufungsgericht vertrat insoweit die Auffassung, dass die Sozialversicherungspflicht in einem anderen Land nicht ausreicht, um von den Verweisungsregeln des Art. 8 Abs. 2 Rom I abzuweichen. Hinzu kommt, dass in beiden Ländern Steuern gezahlt werden, so dass die Gesichtspunkte nicht eindeutig in eine Richtung weisen. Für die Mitarbeiter 1-5 gilt weiterhin niederländisches Recht, für die Mitarbeiter 6-10 deutsches Recht.

Also keine verpflichtende Teilnahme für Mitarbeiter 6-10 wegen Deutschland als Land der normalen Beschäftigung?
Nein, diese Schlussfolgerung kann nicht sofort gezogen werden. Auch wenn Deutschland das Land der gewöhnlichen Beschäftigung ist, besteht nach Ansicht des Berufungsgerichts eine Verpflichtung zur Teilnahme an der Pensionskasse für das Verkehrswesen, wenn die folgenden zwei Bedingungen erfüllt sind:

    1. Die Geltungsbereichsregel (territorialer Geltungsbereich) des Gesetzes und des Erlasses erstreckt sich auch auf Arbeitnehmer im Dienst eines in den Niederlanden niedergelassenen Unternehmens, deren Land der gewöhnlichen Beschäftigung außerhalb der Niederlande liegt, und
    2. Die Bestimmungen des Gesetzes und des Dekrets sind von besonderer zwingender Bedeutung, Artikel 9 Rom I

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Die Geltungsbereichsregel des Bpf-Gesetzes
Für die Bestimmung des Geltungsbereichs hält das Gericht für entscheidend, dass im Wortlaut des Bpf-Gesetzes und des Obligationserlasses keine Einschränkung auf Arbeitnehmer zu lesen ist, deren gewöhnliches Arbeitsland die Niederlande sind. Darüber hinaus ist es das Ziel des Bpf-Gesetzes und des Obligationserlasses, Arbeitnehmer davor zu schützen, keine Rente zu bekommen, was auch für ausländische Arbeitnehmer, die einen niederländischen Arbeitgeber haben, von Vorteil ist. Daher erstreckt sich das Bpf-Gesetz auch auf Arbeitnehmer, deren gewöhnliches Beschäftigungsland außerhalb der Niederlande liegt. Die Bedingung 1 ist somit erfüllt.

Sind die Bestimmungen des Bpf-Gesetzes besonders zwingend?
Durch die Geltungsbereichsregel ist jedoch noch keine Mitwirkungspflicht in Situationen entstanden, in denen keine Rechtswahl für die Niederlande getroffen wurde und die Niederlande auch nicht der gewöhnliche Beschäftigungsstaat sind. Schließlich handelt es sich um kumulative Bedingungen, so dass auch nachgewiesen werden muss, dass es sich um einen Fall von zwingendem Sonderrecht handelt. Nach Artikel 9 von Rom I sind zwingende Bestimmungen solche, deren Einhaltung von einem Staat als so wichtig angesehen wird, dass die Bestimmungen auf jeden Fall, der in ihren Anwendungsbereich fällt, angewendet werden müssen, unabhängig davon, welches Recht nach Rom I auf den Vertrag anzuwenden ist.

Ohne dies näher zu begründen, entschied das Berufungsgericht, dass die Ziele des Bpf-Gesetzes und der Verpflichtungsverordnung nicht ausreichend gewichtig sind, um als besondere zwingende Vorschriften zu qualifizieren. Die Bedingung 2 ist daher nicht erfüllt.

Schlussfolgerung

Es gibt mehrere Situationen, in denen eine verpflichtende Teilnahme an einem branchenweiten Pensionsfonds in Frage kommen kann. Die Verpflichtung kann z. B. durch eine Rechtswahl für das niederländische Recht entstehen, aber auch bei internationalen Sachverhalten kann die Mitwirkungspflicht durch die Niederlande als Land der Beschäftigung entstehen. Möchten Sie weitere Informationen zu diesem Thema erhalten oder haben Sie andere Fragen zu (grenzüberschreitenden) arbeitsrechtlichen Themen, wenden Sie sich bitte an SPEE advocaten & mediation.

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