19 Apr. 2024 Erläuterung der Versicherungsbedingungen eines Versicherungsvertrags

Die Versicherungsbedingungen eines Versicherungsvertrags sind nicht immer eindeutig. In der Regel wird der Inhalt der Versicherungsbedingungen nicht zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer ausgehandelt. Wenn ein Schaden eintritt, kommt es regelmäßig vor, dass der Versicherer unter Berufung auf die Versicherungsbedingungen die Zahlung von Versicherungsgeldern ablehnt. Dies ist nicht immer gerechtfertigt. Die Auslegung der Versicherungsbedingungen ist daher regelmäßig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. So entschied das Gericht von Noord-Holland vor kurzem, dass Schäden, die von einem betrunkenen Fahrer verursacht wurden, dennoch ersetzt werden müssen.

Worum ging es in diesem Fall?

Am 27. November 2019 verursachte ein Autofahrer einen Verkehrsunfall auf der Autobahn A1. Dieser Fahrer prallte mit seinem Auto gegen einen Jaguar. Durch den Zusammenstoß wurde der Jaguar auf einen vor ihm stehenden Ford geschoben, wodurch beide Fahrzeuge beschädigt wurden. Der Fahrer wurde von der Polizei unter anderem wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss (§ 8 Straßenverkehrsgesetz 1994) angezeigt.

Der Versicherer zahlte den Geschädigten einen Gesamtbetrag von 16.367,03 €. Der Versicherer forderte diesen Betrag von dem Fahrer zurück.

Artikel 31 der Versicherungsbedingungen über "Nicht immer versicherte Ursachen" enthielt Folgendes:

 Nicht versichert sind Schäden, die von einem Fahrer verursacht werden, der nicht zum Führen eines Fahrzeugs berechtigt ist

oder durch das Fehlen eines gültigen Führerscheins

oder durch einen abgelaufenen Führerschein (versichert, wenn der Führerschein weniger als 1 Jahr abgelaufen ist.)

oder durch einen Gerichtsbeschluss.

Versichert, wenn ein Versicherter nachweist, dass er nichts davon wusste oder nichts dagegen tun konnte.

Versichert, wenn die Fahrstunden den Gesetzen und Vorschriften entsprechen."

Der Standpunkt des Versicherers

Der Versicherer begründete seine Forderung damit, dass der Schaden, den die Geschädigten erlitten haben, durch das Verschulden des Fahrers verursacht wurde, der sein Fahrzeug nicht rechtzeitig anhalten konnte, was einen Verstoß gegen Artikel 19 der RVV (Reglement verkeersregels en verkeerstekens) darstellt.

Gemäß Artikel 31 der Versicherungsbedingungen hätte der Versicherer das Recht, den von ihm gezahlten Betrag vom Fahrer zurückzufordern, da dieser zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes unter dem Einfluss alkoholischer Getränke stand.

Der Standpunkt des Fahrers

Der Fahrer argumentierte, der Versicherer habe nicht ausreichend nachgewiesen, dass eine der in Artikel 31 der Versicherungsbedingungen genannten Ursachen vorlag. Alkoholkonsum sei in den Versicherungsbedingungen in keiner Weise als Ausschlussgrund genannt, so dass ihm dies nicht klar gewesen sei oder hätte klar sein müssen.

Beurteilung durch das Landgericht

Unstrittig war, dass der Fahrer an dem Verkehrsunfall beteiligt war und für die Schäden, die den Geschädigten durch den Zusammenstoß entstanden sind, haftet. Diese Schäden wurden den Geschädigten vom Versicherer ersetzt, da das Grundprinzip der gesetzlichen Regelung darin besteht, dass die Schäden eines Opfers ersetzt werden. In diesem Fall ging es also um die Frage, ob der Fahrer nach den Versicherungsbedingungen verpflichtet war, dem Versicherer den Schaden zu ersetzen, den dieser den Geschädigten gezahlt hatte.

Das Gericht entschied zu Gunsten des Fahrers. Dazu führte es Folgendes aus:

"Artikel 31 der Versicherungsbedingungen hat die Überschrift, dass Schäden, die von einem Fahrer verursacht werden, der nicht zum Führen eines Fahrzeugs berechtigt ist, nicht versichert sind. Aufgrund der Gestaltung des Artikels in den vorgelegten Versicherungsbedingungen hat es den Anschein, als ob der Artikel dann auflistet, auf welche Fälle sich dies bezieht, nämlich (i) aufgrund des Fehlens eines gültigen Führerscheins, (ii) aufgrund eines abgelaufenen Führerscheins oder (iii) aufgrund einer gerichtlichen Anordnung. Im Text wird nicht erwähnt, dass dies nur Beispiele für Fälle sind, in denen eine Person nicht fahren darf. Auch der Alkoholkonsum wird dort nicht ausdrücklich erwähnt. Insofern ist der Text von § 31 der Versicherungsbedingungen unklar, ob er auch Verstöße nach § 8 des Straßenverkehrsgesetzes 1994 erfasst. Zwar hat der Versicherer in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass von einer abschließenden Aufzählung in Artikel 31 der Versicherungsbedingungen nicht die Rede sein könne, doch ergibt sich dies, wie oben ausgeführt, nicht aus dem Text und der Gestaltung dieses Artikels. Außerdem hat der Versicherer nichts vorgetragen, was Zweifel an der Auslegung von Artikel 31 der Versicherungsbedingungen ausräumen könnte.

 Es ist Sache des Versicherers als Verfasser der Versicherungsbedingungen, sich darüber klar zu werden, welche Schäden nicht versichert sind. Dass diesbezüglich Unklarheiten entstanden sind, geht zu Lasten und auf Risiko des Verfassers der Versicherungsbedingungen. Im Übrigen hat sie keine Ansprüche geltend gemacht, und es ist auch nicht ersichtlich, dass in den Versicherungsbedingungen an anderer Stelle auf den Alkoholkonsum und den Ausschluss des Versicherungsschutzes hingewiesen wurde."

Schlussfolgerung

Nach Ansicht des Richters hatte der Versicherer nicht hinreichend dargelegt, dass er sich auf einen Ausschlussgrund in den Versicherungsbedingungen berufen konnte. Die Klage des Versicherers wurde daher abgewiesen.

Die so genannte "contra proferentem-Regel" (Abschnitt 6:238(2) BW) findet auch in diesem Fall Anwendung. Dabei handelt es sich um eine Regel des Vertragsrechts, die besagt, dass eine unklare Vertragsklausel zum Nachteil desjenigen ausgelegt werden muss, der diese Bedingung bei Vertragsabschluss verlangt hat.

Benötigen Sie Hilfe bei der Auslegung einer Vertragsklausel oder möchten Sie sich zu einem Vertrag beraten lassen? Dann nehmen Sie unverbindlich Kontakt mit einem unserer Anwälte auf. Wir helfen Ihnen gerne weiter!

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