Der Arbeitgeber beißt ins Gras.
Als treuer Leser unserer Blogs kennen Sie wahrscheinlich unseren Standpunkt: Vorsicht mit der fristlosen Kündigung als letztes Mittel! Dies wird durch ein kürzlich ergangenes Urteil des Limburger Amtsgerichts wieder einmal deutlich.
Worum ging es in dem Fall?
Der Arbeitnehmer war seit dem 1. Februar 2022 mit einem befristeten Vertrag als Pflasterer tätig. Am 9. März dieses Jahres kam er zu spät zur Arbeit. In der Folge kam es zu einem Zwischenfall mit einem Kollegen. Dabei soll es zu einer Auseinandersetzung und einem Handgemenge/Sturz gekommen sein. Der Arbeitnehmer arbeitete bis zum Ende des Tages weiter. Am nächsten Tag rief der Arbeitnehmer um 7 Uhr bei der Arbeit an und teilte mit, dass er wegen körperlicher Beschwerden nach dem Sturz vom Vortag einen Arzt aufsuchen müsse. Der Arbeitgeber stimmte dem zu. Bereits am 9. März abends hatte der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber per Whatsapp darüber informiert, dass er zur weiteren Untersuchung in der Notaufnahme sei.
Was für eine Überraschung: Am 10. März wurde dem Arbeitnehmer fristlos gekündigt, mit der Begründung: "Mehrmals zu spät zur Arbeit gekommen und sich geweigert, heute zur Arbeit zu kommen, sowie sich geweigert, heute zu einem Gespräch mit dem Arbeitgeber zu erscheinen. Dies wird als Arbeitsverweigerung betrachtet."
Der Arbeitnehmer lässt das nicht auf sich sitzen und geht vor das Amtsgericht. Er verlangt eine Entschädigung für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses (5.586 €), das Übergangsgeld (1.269 €), eine angemessene Entschädigung (9.000 € brutto) sowie Urlaubsgeld und Urlaubsansprüche.
Wie hat das Amtsgericht entschieden?
Das Landgericht hat die fristlose Kündigung kurz und bündig ausgesprochen, da es keine Gründe für sie gab. Denn es steht fest, dass der Arbeitnehmer mit Wissen und Einverständnis seines Arbeitgebers wegen seiner Beschwerden nach dem Sturz am Vortag den Hausarzt aufgesucht hat. Während dies normalerweise unter "kurzfristige Abwesenheit" fallen würde, trifft dies hier nicht zu: Der Arbeitgeber wusste von dem Vorfall am 9. März, bei dem sich der Arbeitnehmer verletzt hatte. Der Arbeitnehmer verrichtet körperliche (schwere) Arbeit und sollte daher fit sein. Als der Arbeitnehmer nach dem Arztbesuch nicht zur Arbeit erschien, hätte der Arbeitgeber den Telefonanruf an diesem Morgen als Krankschreibung werten müssen. Zumal der Arbeitgeber wusste, dass der Arbeitnehmer auch in der Notaufnahme gewesen war.
Was das "wiederholte Zuspätkommen zur Arbeit" (mit dem der Arbeitnehmer zuvor konfrontiert worden war) betrifft, so mag dies zwar das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen gebracht haben, hätte aber in diesem Fall zu einer Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist (und somit nicht zu einer fristlosen Entlassung) führen müssen.
Das Amtsgericht sprach die Entschädigung für die vorschriftswidrige Entlassung (rückständiges Gehalt) sowie die Urlaubsvergütung und die ausstehenden Urlaubstage zu. Auch das Übergangsgeld wurde zugesprochen. Da das Amtsgericht feststellte, dass der Arbeitgeber tatsächlich schwerwiegend schuldhaft gehandelt hatte, wurde eine angemessene Entschädigung in Höhe von 6.100 € brutto als angemessen erachtet und festgelegt. Dabei wurde berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer noch nicht lange beschäftigt war und sehr kurzfristig einen neuen Arbeitsplatz gefunden hatte. Das Landgericht stellte aber auch klar, dass eine angemessene Entschädigung eine präventive Wirkung haben kann, um ein Signal an den Arbeitgeber zu senden, auch wenn eine solche Entschädigung keinen Strafcharakter hat.
Das Urteil können Sie hier lesen.
Schlussfolgerung
Dieses Urteil zeigt, dass Arbeitgeber mit dem schwerwiegenden Mittel der fristlosen Entlassung vorsichtig umgehen sollten. Es muss ein dringender Grund für eine fristlose Entlassung vorliegen. Außerdem muss die fristlose Kündigung sofort erfolgen und der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer unverzüglich über den dringenden Grund informieren. Dabei ist es wichtig, dass das Kündigungsschreiben korrekt formuliert ist. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann die fristlose Kündigung in einem Verfahren dennoch scheitern. Als Arbeitgeber tun Sie daher gut daran, uns rechtzeitig anzurufen. Dies gilt natürlich auch für Arbeitnehmer, denen eine fristlose Kündigung droht. Haben auch Sie Fragen zu diesem Thema? Rufen Sie die Arbeitsrechtler von SPEE advocaten & mediation an.