Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis ohne Abfindungszahlung
Ein kommerzieller Direktor hatte während der Arbeitszeit eine Affäre mit der Frau eines Kundenbetreuers desselben Arbeitgebers. Der Arbeitgeber duldete dies nicht und zog vor das Amtsgericht. Das lief nicht gerade gut für den Arbeitnehmer!
Was waren die Fakten?
In diesem Fall ging es um einen kommerzieller Direktor, der seit dem 1. November 1985 bei einem Anbieter von professionellen Fahrzeug- und Industrielacken beschäftigt war. Der Direktor ist für den Vertrieb zuständig und leitet 15-20 Mitarbeiter im Vertrieb und in der Technik. Er verdient 11.750 € brutto pro Monat ohne Urlaubsgeld und Bonus. Außerdem enthält der Arbeitsvertrag eine Verhältnis- und Wettbewerbsverbotsklausel. Im Unternehmen des Arbeitgebers gilt ein Ethik-Kodex.
Am 1. April 2021 trat X bei demselben Arbeitgeber als Kundenbetreuer ein. Der Kundenbetreuer war mit einer Dame verheiratet, die als Empfangsdame bei einem Kunden des Arbeitgebers arbeitet. Am 13. Februar 2022 teilte sie ihrem Mann mit, dass sie sich scheiden lassen wolle. Einen Tag später meldet sich der Kundenbetreuer bei seinem Arbeitgeber krank.
Einige Tage später findet der Kundenbetreuer auf dem Laptop seiner Frau und bei sich selbst eine große Anzahl von WhatsApp-Nachrichten, darunter (Nackt-)Fotos und Videos sexueller Natur. Was stellt sich heraus? Seine Frau hatte eine sexuelle Beziehung mit dem kommerzieller Direktor. Der Kundenbetreuer übergibt die Nachrichten zwischen seiner Frau und dem kaufmännischen Leiter an seinen Arbeitgeber.
Der Arbeitgeber stellt fest, dass die sexuellen Nachrichten über das Geschäftstelefon verschickt wurden. Es wird deutlich, dass der kommerzieller Leiter mit der Frau des Kundenbetreuers am Freitagnachmittag (und damit während der Arbeitszeit) mehrstündige Sex-Termine in einem Ferienhaus oder Hotel hatte. Diese Affäre dauerte von Anfang Juli 2021 bis Ende Januar, Anfang Februar 2022.
Der Kundenbetreuer beschwerte sich daraufhin bei seinem Arbeitgeber über den kommerzieller Leiter. Darin gibt der Kundenbetreuer an, dass der kommerzieller Leiter angeblich damit gedroht habe, seinen Vertrag nicht zu verlängern, wenn der (kranke) Kundenbetreuer nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren würde.
Die Beschwerde des Kundenbetreuers führt zu einem Gespräch zwischen dem Arbeitgeber und dem kommerzieller Leiter. Der kommerzieller Leiter wurde suspendiert und eine weitere Untersuchung wird durchgeführt. Schließlich nehmen die Parteien Gespräche über eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsvertrags und eine andere Form der Zusammenarbeit auf, jedoch ohne Erfolg. Daraufhin wendet sich der Arbeitgeber an das Amtsgericht.
Was ist der Standpunkt des Arbeitgebers?
Der Arbeitgeber beantragte die Beendigung des Arbeitsvertrags auf der Grundlage des e-Grundes (schweres Verschulden). Nach Ansicht des Arbeitgebers hat der kommerzieller Leiter schwerwiegend schuldhaft gehandelt:
- häufig WhatsApp und sein Telefon während der Arbeitszeit für private Zwecke zu nutzen;
- Aufnahme und Versendung von Fotos und Videos mit sexuellem Bezug während der Arbeitszeit, am Arbeitsplatz und mit Kunden;
- die Vereinbarung, während der Arbeitszeit Sex zu haben;
- durch sein Verhalten ein negatives Arbeitsklima am Arbeitsplatz verursachen;
- seine Position als Direktor ernsthaft missbraucht;
- gegen die geltenden, im Ethik-Kodex festgelegten Verhaltensregeln verstoßen hat.
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Hilfsweise machte der Arbeitgeber geltend, dass das Arbeitsverhältnis durch das Verhalten des kommerzieller Leiters ernsthaft und nachhaltig gestört worden sei (g-grund). Der Arbeitgeber fordert außerdem eine Lohnnachzahlung für die Zeit, die der Direktor häufig während der Arbeitszeit mit dem Senden und Empfangen privater Nachrichten verbracht hat.
Was ist die Verteidigung des kommerzieller Direktors?
Der kommerzieller Direktor hat viele Nüsse zu seiner Verteidigung. Zunächst erhebt er einen Vorfall mit dem Ziel, von seinem Arbeitgeber Unterlagen zu erhalten, darunter die Beschwerde des Kundenbetreuers und Unterlagen über die Leistung des Kundenbetreuers.
Außerdem wehrt sich der kommerzieller Direktor gegen die Beendigung seines Arbeitsvertrags. Soweit sein Arbeitsvertrag dennoch gekündigt werden durfte, verlangt der kommerzieller Direktor unter anderem ein Übergangsgeld, eine angemessene Entschädigung in Höhe von mindestens 2,5 Millionen Euro, die Aufhebung und/oder Abmilderung seiner Beziehungs- und Wettbewerbsklausel und eine diesbezügliche Entschädigung, Schadensersatz in Höhe von 10 000 Euro brutto, die Feststellung, dass es sich bei den sexuellen WhatsApp-Nachrichten um rechtswidrig erlangte Beweismittel handelt, sowie die Anordnung, alle WhatsApp-Nachrichten unter Androhung einer Vertragsstrafe und seiner Tantieme zu löschen.
Der kommerzieller Leiter ist der Ansicht, dass er nicht schwer schuldhaft gehandelt hat. Auch der Arbeitsvertrag wäre nicht unterbrochen worden. Außerdem hätte der Arbeitgeber nicht genug getan, um das angeblich gestörte Arbeitsverhältnis wiederherzustellen, und es gäbe immer noch Möglichkeiten für eine Versetzung. Nach Ansicht des Direktors hat sein Arbeitgeber nach Erhalt der Beschwerde des Kundenbetreuers schwerwiegend schuldhaft gehandelt, weshalb er die hohe angemessene Entschädigung fordert. Der Direktor gab an, dass die sexuellen Apps mit seiner Geliebten seine Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt hätten; außerdem war der Direktor der Ansicht, dass die Apps niemals im Zusammenhang mit seiner Privatsphäre hätten verwendet werden dürfen.
Wie entscheidet das Unteramtsgericht?
Das Amtsgericht gab dem Arbeitgeber weitgehend Recht. Zunächst wurden die gelegentlichen Anträge des Direktors (zur Beschaffung von Dokumenten) abgelehnt. Der Richter entschied auch, dass es keine unrechtmäßig erlangten Beweise in Form von WhatsApp-Nachrichten gab. Diese Meldungen werden daher bei der Bewertung des Falles einfach berücksichtigt.
Der Richter stimmte dem Arbeitgeber zu, dass der Direktor sein Diensttelefon während der Arbeitszeit häufig für private Zwecke nutzte. So hat er im September/Oktober 2021 innerhalb von neun Tagen 726 (!) Nachrichten an seine Geliebte geschickt und 535 Nachrichten von ihr erhalten, einige davon während der regulären Arbeitszeiten. Darüber hinaus stellte das Amtsgericht fest, dass der Direktor auch während der Termine mit den Kunden Nachrichten versandte und empfing. Außerdem werden all diese privaten Maßnahmen nur unzureichend durch die Arbeit zu anderen Zeiten kompensiert. Außerdem wurde festgestellt, dass während der Arbeitszeit tatsächlich sexuelle Rituale stattfanden, und der Richter entschied, dass der Direktor seine Führungsposition missbraucht und gegen den Ethikkodex verstoßen habe.
All dies stellt ein schuldhaftes Verhalten des Direktors dar, so dass der Arbeitsvertrag aus diesen Gründen gekündigt wird. Ein Verweis des Geschäftsführers auf die "lockere" Unternehmenskultur hilft nicht weiter, und auch das Argument, es handele sich um eine Privatangelegenheit, zieht nicht.
Da das Handeln des kommerzieller Geschäftsführers nicht nur schuldhaft, sondern sogar schwer schuldhaft war, hatte er keinen Anspruch auf Übergangsgeld. Der Antrag auf Gewährung einer angemessenen Entschädigung scheitert, da kein schwerwiegendes schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers vorliegt.
Die Rückforderung eines Teils des Gehalts durch den Arbeitgeber (für alle privaten Angelegenheiten während der Arbeitszeit) wird bis zu einem Bruttobetrag von 1 000 € gewährt.
Die Beziehungs- und Wettbewerbsklausel wird insofern teilweise aufgehoben, als sie von zwei Jahren auf ein Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verkürzt wird. Darüber hinaus schränkt das Gericht die inhaltliche Tragweite der Klausel ein.
Die Klage des Arbeitnehmers auf Schadenersatz wegen Verletzung seiner Privatsphäre wird vom Gericht abgewiesen: Der Arbeitgeber hat die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität beachtet. Außerdem wird die Prämie nicht gewährt, weil sie noch nicht fällig war.
Das gesamte Urteil können Sie hier nachlesen.
Schlussfolgerung
Es wird Sie nicht überraschen, dass die Affäre des Direktors in diesem Fall zu seiner Entlassung führte. Aber auch in anderen Situationen sind die Beziehungen am Arbeitsplatz oft heikel. Ein guter Verhaltenskodex kann hier helfen. Haben Sie auch Fragen zu diesem Thema? Oder über andere arbeitsrechtliche Themen? Das Team der Arbeitsrechtsanwälte von SPEE advocaten & mediation berät Sie ehrlich.