Das Amtsgericht Amsterdam hat kürzlich über einen Fall entschieden, bei dem es um die Frage ging, ob die vom Vermieter geforderte rückständige Miete vom Mieter zu zahlen ist. Während der Laufzeit des Mietvertrags hatte sich der Mietzins unter Anwendung der vereinbarten Mietänderungsklausel fast verdoppelt. Wurde der Forderung des Vermieters stattgegeben?
Der Sachverhalt
Seit 2005 mieteten die Mieter vom Vermieter Bouwinvest ein Haus für eine Miete von 865 € pro Monat.
Der Mietvertrag enthält in Artikel 10 j die folgende Klausel:
“Die Miete wird erstmals am 1. Juli nach Beginn des Mietverhältnisses und danach jährlich am 1. Juli um einen vom Vermieter festzulegenden Prozentsatz erhöht, der der prozentualen Veränderung der monatlichen Indexzahl für den Monat Februar des Verbraucherpreisindex (VPI), Reihe für alle Haushalte, auf der jüngsten Zeitbasis, berechnet gemäß Absatz II dieser Bestimmung, entspricht, zuzüglich maximal 5 % (des vom Vermieter festzulegenden Erhöhungsprozentsatzes)."”
Inzwischen fordert Bouwinvest eine Miete von 1.534,75 € pro Monat.
Mit einem früheren Urteil vom 22. August 2022 wurden die Mieter vom Amtsgericht zur Zahlung rückständiger Mieten verurteilt. Der Auflösungs- und Räumungsklage wurde im Rahmen einer sogenannten Gnadenfrist bedingt stattgegeben.
In diesem Verfahren beantragte Bouwinvest die Auflösung des Mietvertrags und die Räumung der Wohnung sowie die Verurteilung der Mieter zur Zahlung der rückständigen Miete in Höhe von 4.425,27 € zuzüglich außergerichtlicher Kosten, Zinsen und Gerichtskosten. Nach Ansicht von Bouwinvest sind die Mieter der (rechtzeitigen) Zahlung der Miete schuldhaft nicht nachgekommen. Es liege ein wiederholter Vertragsbruch vor. Bouwinvest kann nicht mehr verpflichtet werden, den Mietvertrag fortzusetzen.
Die Mieter räumen ein, dass es Mietrückstände gibt. Eine Vielzahl von Umständen hat zu Zahlungsproblemen geführt. Sie möchten eine Zahlungsvereinbarung treffen und weiterhin in der Wohnung leben.
Richtlinie über missbräuchliche Klauseln
Der Mietvertrag, um den es in diesem Verfahren geht, wurde mit einem Verbraucher geschlossen, so dass eine Beurteilung von Amts wegen nach europäischem und niederländischem Verbraucherrecht, insbesondere der Richtlinie 93/13 EG (Richtlinie über missbräuchliche Klauseln), erfolgen muss.
Aus dem Vergleich der ursprünglichen Miete mit der von Bouwinvest geforderten Miete ergibt sich, dass die Miete erheblich erhöht wurde.
Das Amtsgericht muss von Amts wegen prüfen, ob die Mietänderungsklausel im Vertrag missbräuchlich im Sinne der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln ist. Bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel kommt es darauf an, ob diese Klausel entgegen Treu und Glauben das Gleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien aus dem Vertrag zum Nachteil des Verbrauchers erheblich stört. Dabei sind alle Umstände des Vertragsschlusses und alle anderen Vertragsklauseln zu berücksichtigen, wobei die Art der vom Vertrag erfassten Waren oder Dienstleistungen zu berücksichtigen ist. Der Beurteilungszeitpunkt sollte auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abgestellt werden. Unerheblich für diese Prüfung ist daher die tatsächliche Anwendung und Durchführung der Klauseln oder eine nachträglich abgegebene Erklärung.
Das Urteil des Amtsgerichts
Die Klausel in dem mit Bouwinvest geschlossenen Mietvertrag ist ihrer Natur nach als eine Klausel anzusehen, die in mehreren Verträgen verwendet werden soll. Sie kann nicht als eine Kernklausel angesehen werden. Es ist auch nicht nachgewiesen, dass die Klausel ausgehandelt worden ist.
Bouwinvest hat in der mündlichen Verhandlung den Standpunkt vertreten, dass die Mietänderungsklausel nicht unangemessen belastend ist und die Interessen beider Parteien ausreichend berücksichtigt werden.
Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass der Europäische Gerichtshof der Gültigkeit von Preisänderungsklauseln weitreichende Grenzen setzt. Eine solche Klausel muss in einer klaren und verständlichen Sprache abgefasst oder objektiv bestimmbar sein. Die Klausel muss die Gründe enthalten, aufgrund derer und auf welche Weise die Miete angepasst werden kann, und diese Gründe müssen einen triftigen Grund für die Änderung der Miete darstellen. Die Mietänderungsklausel muss in den Mietvertrag oder die beigefügten allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen werden.
Weitere Umstände, die bei der Beurteilung, ob eine Klausel missbräuchlich ist, eine Rolle spielen, sind: ob der Mietvertrag eine Klausel enthält, die besagt, dass die Mietanpassungsklausel auch zu einer Mietminderung führen kann oder nicht, und ob der Mietvertrag vorsieht, dass der Mieter den Mietvertrag kündigen kann, wenn die Befugnis zur Änderung der Miete ausgeübt wird, sowie ob der Mieter, nachdem er über die Mieterhöhung informiert wurde, eine reale Möglichkeit hat, den Mietvertrag tatsächlich zu kündigen oder aufzulösen.
Grundsätzlich ist eine Klausel, die eine Änderung des Mietzinses regelt, angemessen, wenn diese Änderung auf dem Verbraucherpreisindex beruht und erläutert wird, wie die Mietanpassung berechnet wird, oder wenn die Klausel auf die gesetzlichen Vorschriften zur Änderung des Mietzinses verweist. Nach der jetzigen Klausel ist es jedoch möglich, neben einer inflationsbereinigten Erhöhung auch noch eine jährliche Erhöhung von 5 % zu verlangen. Dadurch wird das Gleichgewicht entgegen Treu und Glauben zum Nachteil des Mieters als Verbraucher erheblich gestört. Darüber hinaus erfüllt die Klausel auch nicht die oben genannten Voraussetzungen: Es fehlt in der Klausel der Grund und die Art und Weise, wie die Miete angepasst werden kann, sowie ein triftiger Grund für die jährliche Anpassung der Miete um 5 % über den Inflationsausgleich hinaus, so dass der Mieter in diesem Punkt der Willkür des Vermieters ausgesetzt ist.
Das Amtsgericht stellte daher fest, dass die Mietanpassungsklausel missbräuchlich ist.
Infolge der Missbräuchlichkeit ist die genannte Klausel nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vollständig unwirksam. Eine teilweise Nichtigerklärung oder Revision ist nicht möglich. Bouwinvest konnte sich also nie auf die Klausel berufen, und die Miete wurde daher während der Laufzeit des Mietvertrags nicht erhöht. Dies bedeutet, dass die ursprüngliche Miete von 865,00 € pro Monat ab Beginn des Mietverhältnisses angenommen werden muss.
Schlussfolgerung
In Anbetracht der Tatsache, dass der Mietvertrag seit 2005 bestand und sich die Miete gegenüber der ursprünglichen Miete fast verdoppelt hatte, war für das Amtsgericht hinreichend klar, dass kein Mietrückstand bestehen konnte. Es war offensichtlich, dass es einen erheblichen Mietrückstand gab. In der mündlichen Verhandlung hatten die Mieter die Aufrechnung geltend gemacht. Die Parteien konnten die genaue Höhe der Aufrechnungsforderung berechnen, nämlich den Betrag, den die Mieter an Bouwinvest gezahlt hatten, abzüglich der Miete von 865,00 € pro Monat, multipliziert mit der Anzahl der Monate, in denen der Mietvertrag in Kraft war. Solange dieser Saldo positiv war, waren die Mieter berechtigt, die Aufrechnung geltend zu machen, wenn sie von Bouwinvest auf Zahlung der Miete verklagt wurden.
Aufgrund der Ablehnung der Hauptforderung sah das Amtsgericht keinen Grund für eine Auflösung und Räumung, auch nicht allein wegen der nicht immer pünktlichen Zahlung der Miete. Für die Vermieter endete dieses Verfahren also sehr schlecht. Es wurde nicht nur die Klage auf Zahlung rückständiger Mieten abgewiesen, sondern es konnte auch vorerst kein Anspruch auf Zahlung künftiger Mietzahlungen geltend gemacht werden.
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