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11 Aug 2023 Neue Erkenntnisse über die Auslegung von Eheverträgen

Künftige Ehegatten können die vermögensrechtlichen Folgen ihrer Ehe durch einen notariellen Ehevertrag regeln. Die Auslegung von Eheverträgen ist jedoch regelmäßig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten in Scheidungssachen. In einem kürzlich ergangenen Urteil des Berufungsgerichts Den Haag wurden die zwischen den Parteien geschlossenen Eheverträge anhand der so genannten Haviltex-Maßnahme" ausgelegt.

Fakten
Die Parteien hatten einen Ehevertrag geschlossen, der im Wesentlichen eine Gütergemeinschaft unter Ausschluss jeder anderen Gütergemeinschaft und eine Klausel über den regelmäßigen Ausgleich vorsah. Es ist unstreitig, dass die Parteien während der Ehe die im Ehevertrag enthaltene Abgeltungsklausel, die die Ehegatten zum jährlichen Ausgleich des verbleibenden Einkommens verpflichtet, nicht umgesetzt haben. Auch ist zwischen den Parteien unstreitig, dass es einen weiten Einkommensbegriff gibt, der auch körperschaftsteuerpflichtige Gewinne umfasst.

Der Ehevertrag sieht vor, dass im Falle der Auflösung der Ehe durch Scheidung der Wert der juristischen Person oder der juristischen Personen, an denen die Ehegatten (mittelbar) beteiligt sind, zwischen den Ehegatten ausgeglichen wird. Bei diesem Ausgleich hat jeder Ehegatte Anspruch auf die Hälfte des Wertes. Die Parteien stellen fest, dass der Ehemann bei Eingehung der Ehe an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Amsterdam beteiligt war. Unter Wert ist der in der Gesellschaft zurückbehaltene ausschüttungsfähige Gewinn zu verstehen sowie das, was durch die Anlage dieses Gewinns erzielt worden ist, wobei die finanziellen Beiträge, die der betreffende Ehegatte aus seinem Vermögen in die juristische Person eingebracht hat, von dem auszugleichenden Betrag abgezogen werden. Die finanziellen Beiträge wurden von den Parteien zum Zeitpunkt der Eheschließung auf einhunderttausend Euro (100.000 EUR) festgelegt.

In der Berufung streiten die Parteien über die Auslegung des Begriffs "Wert" im Ehevertrag.

Die Frau macht geltend, dass sich der Wille der Parteien eindeutig aus dem Ehevertrag ergebe, nämlich dass der Vermögenszuwachs der Ehegatten während der Ehe jedem von ihnen zur Hälfte zustehen solle, soweit dieser Zuwachs nicht aus einem erbrechtlichen Erwerb oder einer Schenkung oder aus einer Wertsteigerung der von ihnen in die Ehe eingebrachten Sachen resultiere. Dies ist eine weit gefasste Formulierung, die auch das Vermögen des Ehemannes in Form von Beteiligungen und eines Fonds umfasst. Nach Ansicht der Ehefrau hat das Gericht dem Zusammenhang der Bestimmungen des Ehevertrags nicht genügend Beachtung geschenkt. Eine rein sprachliche Auslegung reiche nicht aus.

Der Ehemann bestreitet das Vorbringen der Ehefrau. Es stehe fest, dass die Anteile an der GmbH von ihm in die Ehe eingebracht worden seien und dass diese Anteile somit nicht mit Überschüssen finanziert worden seien. Eine Anrechnung des wirtschaftlichen Wertes nach Artikel 1:141 (1) des Bürgerlichen Gesetzbuches komme daher nicht in Betracht.

Haviltex
Für die Auslegung von Verträgen ist das sogenannte Haviltex-Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1981 von Bedeutung. Die wichtigste Regel, die sich aus diesem Urteil ergibt, lautet, dass bei der Auslegung eines Vertrags nicht nur der wörtliche Wortlaut zu berücksichtigen ist, sondern auch die Absicht der Parteien und das, was sie vernünftigerweise voneinander erwarten konnten. Somit ist nicht nur die sprachliche Auslegung entscheidend, um festzustellen, was die Parteien vereinbart haben. Auch der Verlauf der Ereignisse beim Abschluss der Vereinbarung und die gegenseitige Kommunikation der Parteien spielen eine Rolle.

Das Urteil des Berufungsgerichts
Das Berufungsgericht ist wie das Landgericht der Auslegung des Ehemannes gefolgt und erläutert anhand des Haviltex-Standards die Bedeutung des vereinbarten Ehevertrags:

"Das Berufungsgericht stellt zunächst fest, dass die Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Ehevertrags anhand des Haviltex-Maßstabs zu erfolgen hat. Dieser Maßstab besagt, dass, auch wenn bei der Auslegung eines Vertrages der sprachlichen Bedeutung der gewählten Formulierung großes Gewicht beigemessen wird, die sonstigen Umstände des Falles dazu führen können, dass den Bestimmungen des Vertrages eine andere (als die sprachliche) Bedeutung beizumessen ist. Entscheidend bleibt schließlich die Bedeutung, die die Parteien unter den gegebenen Umständen vernünftigerweise diesen Bestimmungen beimessen konnten und was sie in dieser Hinsicht vernünftigerweise voneinander erwarten konnten. Auch die Art und Weise, in der sie die Vereinbarung durchgeführt haben, ist in dieser Hinsicht von Bedeutung (vgl. HR 5. April 2013, ECLI:NL:HR:2013:BY8101, NJ 2013/214 [Lundiform/Mexx]).

Auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen und der in der Berufungsverhandlung erörterten Punkte ist das Berufungsgericht der Auffassung, dass das Landgericht in der Sache richtig entschieden hat. Das Berufungsgericht macht sich diese Gründe zu eigen und macht sie sich nach eigener Prüfung zu eigen. Im Berufungsverfahren sind keine Tatsachen oder Umstände bekannt geworden, die zu einer anderen Entscheidung führen. Es steht fest, dass der Ehemann zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags bereits Anteile am Kapital der GmbH besaß. Dies bedeutet, dass diese Anteile nicht mit überschüssigem Einkommen erworben wurden. (...) Offenbar fanden mehrere Gespräche zwischen den Parteien statt, ob in Anwesenheit des Notars oder nicht. Der Ehevertrag wurde anschließend unter der Anleitung des Notars erstellt, wobei die Parteien auch eigene Anpassungen am Entwurf vornahmen, einschließlich der Auslegung des Begriffs 'Wert'. Daraus ergibt sich, dass die Parteien den Wortlaut des Ehevertrags bewusst berücksichtigt haben. Unter den genannten Umständen erscheint dem Gericht die Auslegung des Ehevertrags durch die Ehefrau nicht plausibel. Schließlich wäre es dann naheliegend gewesen, dass die Parteien die Dinge so in den Ehevertrag aufgenommen hätten."

Haben Sie Fragen oder benötigen Sie eine Beratung zum Thema Ehevertrag bei einer Scheidung? Dann wenden Sie sich bitte an einen unserer Anwälte. Wir helfen Ihnen gerne weiter und halten Sie über weitere Entwicklungen auf dem Laufenden!

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