Das Berufungsgericht Arnheim-Leeuwarden hat kürzlich über einen Fall entschieden, in dem der Arbeitnehmer entlassen wurde, weil er während seiner Krankheit nebenbei arbeitete. Wie lautete das Urteil des Amtsgerichts und des Berufungsgerichts und warum?
Was war los?
Seit dem 1. Dezember 2017 arbeitete der Arbeitnehmer 40 Stunden pro Woche als Karosseriebauer bei ASN Autoschade zu einem Gehalt von 2.275 Euro brutto ohne Urlaubsgeld. Aufgrund des Arbeitsvertrags und des Tarifvertrags für Karosseriereparaturen war es dem Arbeitnehmer untersagt, ohne Erlaubnis des Arbeitgebers Nebentätigkeiten auszuüben.
Am 9. März 2020 meldete sich der Arbeitnehmer krank. Ab Mitte März 2020 versuchte er, wieder zu arbeiten. Am 6. Mai 2020 stellte der Betriebsarzt jedoch fest, dass der Arbeitnehmer nur über eine geringe Arbeitsfähigkeit verfügte und nicht arbeitsfähig war. Es hieß, er habe nur begrenzte Energie und benötige weitere Untersuchungen. Am 12. Juni 2020 hatte sich der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers nach Aussage des Betriebsarztes nicht verändert.
Dennoch arbeitete der Arbeitnehmer weiterhin teilweise für ASN, und ab Juli 2020 arbeitete er wieder halbtags. Am 14. September 2020 empfahl der Betriebsarzt, dass er dies bis zur weiteren Untersuchung weiterhin tun solle. Einige Tage später trafen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine schriftliche Vereinbarung über die Arbeitszeiten und die schrittweise Verlängerung der Arbeitszeit. Im darauffolgenden Monat, im Oktober 2020, erteilte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung über den Erwerb eines Eigenheims. Es wurde auch vereinbart, dass der Arbeitnehmer ab dem 12. Oktober 2020 wieder voll arbeiten wird.
Doch es läuft nicht gut: Am 19. Oktober 2020 informiert der Arbeitnehmer den Betriebsarzt per E-Mail über die Vereinbarung und weist darauf hin, dass ASN nur dann eine Arbeitgeberbescheinigung ausstellt, wenn ein neuer 20-Stunden-Arbeitsvertrag abgeschlossen wird oder wenn der Arbeitnehmer eine Erklärung unterzeichnet, dass er wieder voll arbeiten wird. Der Arbeitnehmer fragte sich, ob er dazu in der Lage sein würde, und fragte den Betriebsarzt, welche Folgen es haben würde, wenn er dies nicht täte.
Es dauerte nicht lange, bis die Dinge schief liefen, denn am 27. Oktober 2020 stellte ein Mitarbeiter mitten am Tag seine Arbeit ein, weil er über Müdigkeit klagte. Danach begann der Arbeitnehmer wieder halbtags zu arbeiten.
Ende Oktober, Anfang November 2020 beauftragte ASN einen betrieblichen Ermittler, da ASN angeblich Hinweise erhalten hatte, dass ein Mitarbeiter während seines Krankheitsurlaubs zusätzliche Arbeit bei einem Kollegen zu Hause verrichtet. Die Ermittler des Unternehmens führten daraufhin an neun Tagen Observationen durch, und an drei der neun Tage wurde festgestellt, dass das Auto des Mitarbeiters tatsächlich vor dem Haus geparkt war. Was der Mitarbeiter dort gemacht hat, wurde nicht festgestellt.
Der Arbeitgeber nahm daraufhin Gespräche mit dem Arbeitnehmer auf und schlug vor, den Arbeitsvertrag in gegenseitigem Einvernehmen aufzulösen, doch kam es zu keiner Einigung.
Ende Dezember 2020 stellte der Betriebsarzt fest, dass der Zustand des Arbeitnehmers noch nicht behoben war und dass ein Arbeitskonflikt bestand. Wie so oft, empfahl der Betriebsarzt eine Mediation. Der Stellungnahme zufolge kann die Wiedereingliederung erst erfolgen, wenn der Konflikt beigelegt ist. Die Schlichtung wurde jedoch nicht durchgeführt, und am 27. Januar 2021 reichte ASN einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsvertrags ein.
Urteil des Unteramtsgerichts
Der Auflösungsantrag von ASN stützt sich auf schwerwiegende schuldhafte Handlungen des Arbeitnehmers oder auf ein gestörtes Arbeitsverhältnis oder eine Kombination dieser beiden Gründe.
Der Arbeitnehmer lehnte die Auflösung ab und machte geltend, dass der Arbeitgeber ihm eine angemessene Entschädigung in Höhe von 45.832 € brutto zahlen müsse, falls das Amtsgericht den Vertrag dennoch auflösen sollte. Der Arbeitgeber hätte ihn unter erheblichen Druck gesetzt, seine Arbeit wieder aufzunehmen. Nach Ansicht des Arbeitnehmers ist jede Störung des Arbeitsverhältnisses auf ein schweres Verschulden von ASN zurückzuführen.
Das Amtsgericht entschied, dass das Verhältnis zwischen den Parteien irreparabel gestört sei und eine Wiedereinstellung nicht in Frage komme. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 1. Mai 2021 beendet und der Arbeitnehmer hatte Anspruch auf ein Übergangsgeld von 2.798,25 € brutto. Der Antrag auf Gewährung einer angemessenen Vergütung wurde abgelehnt.
Das Beschwerdeverfahren
Der Arbeitnehmer war mit dem Urteil des Amtsgerichts nicht einverstanden und legte Berufung beim Berufungsgericht Arnheim-Leeuwarden ein. Er forderte die Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses, die Nachzahlung des Gehalts oder eine angemessene Vergütung in Höhe von 45.823 € brutto.
Die erste Frage, die es zu klären galt, war, ob die Beendigung des Arbeitsvertrags gegen das Verbot des Krankheitsurlaubs (und dessen Rückwirkung) verstößt. Nach Angaben des Mitarbeiters wollte ASN ihn eigentlich loswerden, weil er krank war und ASN nicht gegen Fehlzeiten versichert war. ASN forderte den Arbeitnehmer daher auf, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Nach Ansicht des Arbeitnehmers gilt deshalb das Verbot der Kündigung im Krankheitsfall. Das Berufungsgericht war anderer Meinung und stellte fest, dass ASN den Arbeitnehmer entlassen wollte, weil er während seiner Krankheit Überstunden geleistet hatte. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist es "denkbar und glaubhaft", dass ASN aufgrund der Feststellungen bezüglich der zusätzlichen Arbeit das Vertrauen in den Arbeitnehmer verloren hatte. Es handelt sich also nicht um eine Entlassung wegen der Krankheit selbst. Aus diesem Grund kann sich der Arbeitnehmer nicht auf das Kündigungsverbot berufen.
Das Gericht stellte außerdem fest, dass ASN den Arbeitnehmer dazu gedrängt hatte, mehr zu arbeiten, als es der Betriebsarzt für möglich gehalten hatte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dies der eigentliche Grund für den Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung war.
Dann stellt sich die Frage: Auf welcher Grundlage sollte der Arbeitsvertrag aufgelöst werden? Das Berufungsgericht schloss sich der Auffassung des Amtsgerichts an, dass die Störung des Arbeitsverhältnisses den Grund für die Auflösung des Arbeitsvertrags darstellt. Nach Ansicht des Gerichts kann der Arbeitsvertrag nicht aufgrund eines Verschuldens des Arbeitnehmers aufgelöst werden, u. a. weil das vertragliche Verbot der Nebentätigkeit nicht absolut war, der Umfang der Nebentätigkeit nicht festgelegt war und ASN den Arbeitnehmer tatsächlich zur Mehrarbeit gedrängt hatte.
Dem Arbeitnehmer wurde keine angemessene Entschädigung zuerkannt: Den Arbeitgeber traf kein schweres Verschulden. Interessanterweise wies das Gericht darauf hin, dass es dem Arbeitgeber in diesem Fall freistand, auf eine Mediation zu verzichten. Wenn Sie den gesamten Sachverhalt und die Stellungnahme des Berufungsgerichts lesen möchten, können Sie dies hier tun.
Schlussfolgerung
Dieser Fall zeigt erneut, dass Situationen mit Krankheit und Berufsunfähigkeit zu Diskussionen führen können, insbesondere wenn zusätzliche Umstände wie ein überschrittenes Verbot der Nebentätigkeit hinzukommen. Sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber gilt: Lassen Sie sich rechtzeitig von einem Anwalt für Arbeitsrecht beraten, das wird viele Probleme verhindern! SPEE Rechtsanwälte & Mediation hilft Ihnen gerne auf Ihrem Weg.