Der Versicherungsnehmer hat beim Abschluss eines Versicherungsvertrages eine vorvertragliche Anzeigepflicht (§ 7: 928 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Wird diese Anzeigepflicht verletzt, kann dies weitreichende Folgen haben. Das Berufungsgericht Arnheim-Leeuwarden entschied kürzlich in einem Fall, in dem die Erläuterung einer Frage zur kriminellen Vergangenheit im Mittelpunkt stand. Der Versicherer verweigerte den Versicherungsschutz unter Berufung auf Verschweigen.
Der Sachverhalt
Infolge eines Brandes war in einem Grand Café ein Schaden entstanden. Der Versicherungsnehmer, geschäftsführender Gesellschafter und Direktor des Grand Café, bat den Versicherer um Deckung, die dieser unter Berufung auf Verschweigen ablehnte. Nach Ansicht des Versicherers hätte das Antragsformular vor Abschluss des Versicherungsvertrags einen Hinweis auf das Vorstrafenregister des Bruders des Versicherungsnehmers enthalten müssen, da dieser tatsächlich tätig und eng in das Geschäft eingebunden war. Nach Ansicht des Versicherers lag eine vorsätzliche Täuschung im Sinne von Artikel 7:930 Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor. Der Versicherungsvertrag wäre nicht zustande gekommen, wenn er korrekt vorgelegt worden wäre.
Die Versicherungsnehmerin leitete ein Verfahren ein und verlangte von der Versicherung die Zahlung des Brandschadens in Höhe von mehr als 350.000 €. Das Gericht wies die Klage der Versicherungsnehmerin zunächst ab, weil sie nicht ausreichend bestritten hätte, dass sie nur auf dem Papier Geschäftsführerin war und ihr Bruder der tatsächliche Geschäftsführer war. Das Berufungsgericht sah dies jedoch anders und befand, dass sich die Versicherungsgesellschaft nicht auf ein Verschweigen berufen kann.
Standpunkte der Parteien
Die Versicherungsgesellschaft hatte sich auf das Verschweigen gestützt, weil in der Schlusserklärung des Antragsformulars die Frage ”Sind Sie, die Gesellschaft oder ein Mitgeschäftsführer der Gesellschaft in den letzten acht Jahren wegen eines Eigentums- oder Gewaltverbrechens strafrechtlich verurteilt worden?” negativ beantwortet worden war.
Nach Ansicht der Versicherungsgesellschaft musste die Versicherungsnehmerin verstehen, dass ihr Bruder tatsächlich in einem solchen Ausmaß an dem Unternehmen beteiligt war, dass seine Vorstrafen bei der Beantwortung dieser Frage hätten erwähnt werden müssen.
Nach Ansicht der Versicherungsnehmerin wurde in der Abschlusserklärung nur nach der kriminellen Vergangenheit der Geschäftsführer und des Unternehmens selbst gefragt. Er ging davon aus, dass sich die Antwort auf diese Frage auf die Personen bezog, die formal Geschäftsführer waren und als solche im Handelsregister der Handelskammer eingetragen waren. Zum Zeitpunkt des Ausfüllens des Formulars waren dies nur die Versicherungsnehmerin und ihre Eltern. Ihr Bruder war nur Treuhänder, der auch im Handelsregister eingetragen war. Er war als Küchenchef beschäftigt und leitete in dieser Funktion das Küchenpersonal.
Urteil des Berufungsgerichts
Das Berufungsgericht stellte zunächst fest, dass der Versicherungsnehmer nach Artikel 7:928 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet ist, dem Versicherer vor Vertragsabschluss alle Tatsachen mitzuteilen, die er kennt oder kennen müsste und von denen, wie er weiß oder wissen müsste, die Entscheidung des Versicherers abhängt oder abhängen kann, ob und gegebenenfalls zu welchen Bedingungen er die Versicherung abschließen will. Nach Artikel 7:928 Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, Tatsachen über seine kriminelle Vergangenheit oder die eines Dritten anzugeben, soweit sie sich innerhalb der letzten acht Jahre vor Abschluss der Versicherung ereignet haben und soweit der Versicherer ausdrücklich und in nicht missverständlicher Weise nach dieser Vergangenheit gefragt hat.
Wurde die Versicherung auf der Grundlage eines vom Versicherer erstellten Fragebogens abgeschlossen, so kann sich der Versicherer weder darauf berufen, dass Fragen nicht beantwortet oder nicht gestellte Tatsachen nicht mitgeteilt wurden, noch darauf, dass eine allgemein gehaltene Frage unvollständig beantwortet wurde (Abschnitt 7:928(6) des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Mit einem solchen Fragebogen gibt der Versicherer an, dass die in dieser Liste abgefragten Tatsachen für ihn von Interesse sind, aber die Liste legt auch nahe, dass andere Tatsachen für ihn nicht von Interesse sind. Die Hinzufügung einer abschließenden, allgemein gehaltenen Frage in den Fragebogen beseitigt diesen Hinweis nicht. Eine Ausnahme hiervon gilt nur, wenn der Versicherer in Täuschungsabsicht getäuscht wurde, d. h. in der Absicht, den Versicherer zum Abschluss eines Vertrags zu veranlassen, den er andernfalls nicht oder nicht zu denselben Bedingungen abgeschlossen hätte.
Die Darlegungs- und Beweislast für das angebliche Verschweigen und die Täuschungsabsicht liegt beim Versicherer.
Angesichts der weitreichenden Folgen einer erfolgreichen Berufung auf ein Verschweigen sind daher strenge Anforderungen an die Formulierung der Fragen im Antragsformular zu stellen: Sie müssen hinreichend klar sein und dürfen keine Missverständnisse zulassen.
Nach Ansicht des Gerichts war diese Anforderung an die Klarheit im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Die Versicherungsgesellschaft hatte keine hinreichend konkreten Tatsachen und Umstände vorgetragen, die die Auffassung rechtfertigen würden, dass die Versicherungsnehmerin oder ihre Mitgeschäftsführer dem Fragebogen hätten entnehmen müssen, dass die kriminelle Vergangenheit nicht nur von den Personen angegeben werden musste, die zum Zeitpunkt des Ausfüllens des Fragebogens formell Geschäftsführer waren, sondern auch von denjenigen, die intensiv an der Leitung des Unternehmens beteiligt waren. Die Liste legt nahe, dass sich der Versicherer nur mit dem Unternehmen selbst und seinen Geschäftsführern befasst hat. Es wäre Sache des Versicherers gewesen, ausdrücklich und genau anzugeben, dass er mit der fraglichen Frage auch auf Personen abzielte, die eng in die Leitung des Unternehmens eingebunden waren oder das Unternehmen tatsächlich leiteten.
Nach Ansicht des Gerichts hatte die Versicherungsgesellschaft auch keine hinreichend konkreten Tatsachen und Umstände vorgetragen, die den Schluss rechtfertigen, dass die Versicherungsnehmerin sie bewusst in die Irre führen wollte, indem sie sich selbst und ihre Eltern (auf dem Papier) als Gesellschafter und Geschäftsführer darstellte und ihren Bruder aus den Augen des Versicherers heraushielt, obwohl dieser in Wirklichkeit das Unternehmen (mit-)leitete.
Diese Angelegenheit endete also doch noch gut für die Versicherungsnehmerin. Der Versicherer musste den materiellen und teilweise den geschäftlichen Schaden ersetzen.
Folgen des Verschweigens und Gesetzesänderung ab 1. Juli 2023
Wird einer Klage wegen Verschweigens stattgegeben, kann dies weitreichende Folgen haben. So kann der Versicherer die Versicherung fristlos kündigen, wenn ein vorsätzliches Verschweigen vorliegt oder wenn ohne Verschweigen keine Versicherung vereinbart worden wäre (siehe Abschnitt 7:929(2) des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
Dies kann sich auch auf den Anspruch auf Leistungen auswirken.
In Abschnitt 7:930(4) des Bürgerlichen Gesetzbuchs heißt es beispielsweise, dass keine Zahlung fällig wird, wenn der Versicherer die Versicherung nicht abgeschlossen hätte, wenn er die wahre Sachlage gekannt hätte.
Ab dem 1. Juli 2023 wurde der vierte Absatz von Abschnitt 7:930 geändert und Folgendes hinzugefügt:"Der Versicherungsnehmer, der in gutem Glauben gehandelt hat, schuldet auch in diesem Fall keine Prämie. Der Versicherer hat Anspruch auf angemessene Erstattung der auf seine Kosten entstandenen Kosten.”
Wenn der Versicherer den Versicherungsvertrag wegen Verschweigens kündigte, hatte der Versicherungsnehmer bisher keinen Anspruch auf Rückerstattung der bereits gezahlten Prämie. Jetzt ist dies unter bestimmten Bedingungen möglich. Die erste Bedingung ist, dass der Versicherer die Versicherung nicht abgeschlossen hätte, wenn er die wahre Sachlage gekannt hätte (d. h. ohne Verschweigen). Hätte der Versicherer die Versicherung nur zu anderen Bedingungen abgeschlossen, besteht kein Anspruch auf Prämienrückerstattung.
Die zweite Bedingung ist, dass der Versicherungsnehmer in gutem Glauben gehandelt haben muss.
Ist der Versicherungsnehmer ein Verbraucher, so ist es wichtig, dass die Versicherungsbedingungen nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von dieser Bestimmung abweichen. Bei Unternehmensversicherungen kann jedoch vereinbart werden, dass in einem solchen Fall kein Anspruch auf Erstattung der gezahlten Prämie besteht.
Diese Änderung gilt ab dem 1. Juli 2023 auch für laufende Versicherungsverträge. Bei Vertuschungsfällen, bei denen die Vertuschung vom Versicherer vor dem 1. Juli 2023 entdeckt wurde, besteht dieser Anspruch auf Prämienrückerstattung jedoch nicht.
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