9 Feb. 2024 Kann der Vermieter Mietvergnügens aussetzen, wenn der Mieter nicht zahlt?

Kann ein Vermieter dem Mieter bei Zahlungsverzug nicht einfach den Mietgenuss verweigern, indem er die Schlösser auswechselt, anstatt ein Verfahren mit allen damit verbundenen Kosten einzuleiten? Nach allgemeiner Auffassung kann ein Vermieter seine Verpflichtung zur Gewährung von Mietvergnügen nicht aussetzen. Generalanwalt W.L. Valk hat diese Auffassung jedoch kürzlich in zwei Fällen in ein anderes Licht gerückt.

Fall eines Büromietvertrags

In dem ersten Fall ging es um die Vermietung von Büroräumen. Der Mieter vertrat den Standpunkt, dass die Räume unzureichend seien, weil sie nicht renoviert worden seien. Bei der geplanten Fertigstellung der gemieteten Räume erschien der Mieter nicht, und der Mieter betrat die Räume auch danach nicht. Nach Auffassung des Amtsgerichts und des Berufungsgerichts war der Raum in unrenoviertem Zustand vermietet worden. Der vom Vermieter beantragten Auflösung wurde stattgegeben, und der Mieter wurde u. a. zur Zahlung der geschuldeten Miete verurteilt.

Der Mieter legte Kassationsbeschwerde ein. Dort wurde argumentiert, das Berufungsgericht habe verkannt, dass ein Vermieter die Erfüllung seiner Verpflichtung, das Mietobjekt zur Verfügung zu stellen (Abschnitt 7:203 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs), nicht wegen Zahlungsverzug des Mieters aussetzen kann.

A-G Valk kam zu dem Schluss, dass diese Ansicht seiner Meinung nach falsch ist. Ein Eigeninteresse des Vermieters, der z. B. von sich aus die Schlösser der Mietsache austauscht und damit den Mieter benachteiligt, sei unzulässig.

Um Eigeninteresse ging es in diesem Fall aber nicht. Der Mieter hatte sich zu Unrecht auf den Standpunkt gestellt, dass die Überlassung der Büroräume in renoviertem Zustand vereinbart worden sei, und die Mitwirkung an der Übergabe der Mietsache verweigert. Diese Weigerung hatte den Mieter in Gläubigerverzug gebracht. Der Mieter blieb daher verpflichtet, die vereinbarte Gegenleistung zu erbringen. Der Mieter sei auch nie auf diese Weigerung zurückgekommen. Die Frage, ob der Vermieter ein Aussetzungsrecht hatte, wurde daher gar nicht erst geprüft.

Fall der Geschäftsraummiete

In einem anderen Fall, in dem die gleiche Auffassung vertreten wurde, dass ein Vermieter die Verpflichtung zur Gewährung des Mietverhältnisses nicht aussetzen kann, kam Valk zu demselben Ergebnis. Weder die Rechtsprechung noch das spezifische Mietrecht bieten eine Grundlage für eine solche Annahme. Mit anderen Worten: Ein Vermieter kann einem Mieter bei Mietrückständen den Zugang zum Mietobjekt verweigern, sofern dies nicht eine Form der Selbstbelastung darstellt.

In diesem Fall ging es um die Vermietung von zwei Geschäftsräumen, die dem Mieter mit Wirkung vom 1. Juni 2016 für eine Dauer von fünf Jahren vermietet wurden, die jeweils um fünf Jahre verlängert werden kann, wobei das Mietverhältnis zum Ende der laufenden Laufzeit gekündigt werden kann.

Seit Januar 2019 wurde vom Mieter keine Miete mehr gezahlt. Nachdem Zahlungsrückstände aufgetreten waren, räumte der Mieter das Mietobjekt im Mai 2019. Anschließend tauschte der Vermieter die Schlösser aus. In der Korrespondenz zwischen den Anwälten der Parteien kam zur Sprache, dass der Vermieter nicht mehr gewillt war, dem Mieter im Zusammenhang mit dem Zahlungsverzug erneut Mietvergnügen zu bereiten. Der Vermieter vermietete eine der beiden Einheiten zum 1. Dezember 2019 an einen Dritten. Die andere Einheit wurde zum 1. April 2020 an einen anderen Dritten vermietet.

Der Vermieter beantragte vor dem Amtsgericht die Auflösung des Mietverhältnisses und verurteilte den Mieter unter anderem zur Zahlung der überfälligen Mietraten. Im Wege der Widerklage beantragte die Mieterin die Feststellung, dass der Vermieter ihr gegenüber rechtswidrig gehandelt habe, und die Verurteilung des Vermieters, der Mieterin den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Das Amtsgericht gab der Klage des Vermieters statt und wies die Klage der Mieterin ab. Die Mieterin legte Berufung ein, die jedoch erfolglos blieb. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Amtsgerichts.

In der Berufung machte die Mieterin u. a. geltend, dass sie keine Miete schulde, weil der Vermieter ihr die Nutzung des Mietobjekts vorenthalten habe, indem er sie zur Räumung des Mietobjekts und zur Rückgabe der Schlüssel aufgefordert und die Schlösser des Mietobjekts ausgetauscht habe, ohne ihr die Schlüssel für die neuen Schlösser auszuhändigen. Das Gericht kam jedoch zu dem Schluss, dass der Vermieter der Mieterin den Genuss der Miete bereits entzogen hatte, da die Mieterin zuvor in Verzug geraten war, indem sie die Miete ab dem 1. Januar 2019 nicht gezahlt hatte. Daher konnte von dem Vermieter nicht erwartet werden, dass er dem Mieter den Genuss der Miete gewährt. Der Mieter war nicht befugt, die Mietzahlungen auszusetzen. Obwohl der Mieter das Mietobjekt Anfang Mai 2019 verlassen hatte, lief das Mietverhältnis weiter und der Mieter musste die Miete zahlen, bis der Vermieter das Mietobjekt an einen Dritten vermietet hatte.

Der Mieter hat daraufhin ein Kassationsverfahren angestrengt. Allen Beschwerden des Mieters lag die Auffassung zugrunde, dass sich ein Vermieter während der Laufzeit eines Mietvertrags nicht (vorübergehend) einseitig von seiner Verpflichtung entbinden kann, dem Mieter den Mietgenuss zu gewähren, weil der Mieter die Miete nicht zahlt oder nicht gezahlt hat. Zumindest als Ausgangspunkt kann die Verpflichtung, dem Mieter den Mietgenuss zu gewähren, nicht ausgesetzt werden, noch kann die Erfüllung dieser Verpflichtung anderweitig während der Dauer des Mietverhältnisses eingestellt werden.

Bisherige Rechtsprechung und Literatur

Für diese Auffassung konnte sich der Mieter auf verschiedene Entscheidungen von Amts- und Berufungsgerichten sowie auf einige Literatur berufen. Begründet wird dies in der Regel damit, dass es sich bei der Überlassungspflicht um eine Dauerschuld handelt, die nicht für die Vergangenheit erfüllt werden kann, wenn der Mieter seine Rückstände ausgleicht. Manchmal wird ein anderes Argument angeführt, nämlich dass eine solche Aussetzung die Auflösung durch das Gericht vorwegnimmt und somit dem Grundgedanken von Abschnitt 7:231 des Bürgerlichen Gesetzbuchs widerspricht (wonach die Auflösung eines Mietvertrags über ein bebautes Grundstück nur durch das Gericht erfolgen kann). In der Rechtsprechung wird auch erwähnt (in der Regel am Rande), dass die Verpflichtung, die Nutzung des Mietobjekts zu gewährleisten, die Hauptpflicht des Vermieters ist.

Schlussfolgerung Valk

Nach Ansicht von Valk ist die vorgenannte Auffassung nicht unbegründet. Im niederländischen Recht gibt es keine Regel, wonach bei Dauerschuldverhältnissen eine Aussetzung nicht möglich wäre. Es stimmt zwar, dass nach Begleichung der Zahlungsrückstände die Erfüllung des ausgesetzten Dauerschuldverhältnisses für die Vergangenheit nicht mehr möglich ist, aber aus Artikel 6:59 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt sich, dass dies zu Lasten der Partei geht, die die Aussetzung verursacht hat. Denn eine genehmigte Aussetzung durch die andere Partei führt nach diesem Artikel zum Gläubigerverzug. Während seines Verzugs bleibt der Gläubiger lediglich verpflichtet, die vereinbarte Gegenleistung zu erbringen. Bei Dauerschuldverhältnissen hat dies zwar zur Folge, dass der Gläubiger auch nach Beseitigung seines Verzugs einen Nachteil hat, weil die Vergangenheit nicht mehr geändert werden kann, aber das ändert nichts an der Sache. Der Sinn der Figur des Gläubigerverzugs besteht gerade darin, dass der Gläubiger die nachteiligen Folgen seines Verzugs trägt. Wer sich das Gesäß verbrennt, muss zahlen.

Dass die Pflicht zur Gewährung von Mietvergnügen die Hauptpflicht des Vermieters ist, ist zweifellos richtig. Das bedeutet auch nicht, dass das Ergebnis in den genannten Urteilen falsch wäre. Allen diesen Fällen war gemeinsam, dass der Vermieter dem Mieter als Reaktion auf den Zahlungsverzug einseitig den Zugang zur Mietsache verwehrt hatte, häufig durch Auswechseln der Schlösser der Mietsache. Dies ist eine krasse Form des vorsätzlichen Handelns. Ihre Rechtswidrigkeit scheint kaum in Zweifel zu stehen. Die Mietsache war dem Mieter bereits zur Verfügung gestellt worden, dies wurde jedoch durch aktives Handeln zum Nachteil des Mieters wieder rückgängig gemacht.

Ein solches aktives Zurückgreifen auf eine bereits erbrachte Leistung sollte auch nicht als Aussetzung bezeichnet werden. Die Aussetzung ist die Befugnis des Schuldners, die Leistung aufzuschieben (mit der Besonderheit, dass die Aufschiebung zur Aufhebung führt). Die Rückgängigmachung einer vom Schuldner bereits erbrachten Leistung angesichts der Nichterfüllung durch die andere Partei kann nicht unter Berufung auf ein Aussetzungsrecht gerechtfertigt werden. Nur innerhalb der Grenzen des Aussetzungsrechts kann von einer Legitimation der Selbsterfüllung gesprochen werden. Darüber hinaus benötigt der Vermieter im Interesse des Rechtsfriedens einen vollstreckbaren Titel, um dem Mieter einseitig die Nutzung zu entziehen.

Auch in diesem zweiten Fall ging es nicht um eine Selbstbeeinträchtigung. Zwar hatte der Vermieter die Schlösser der Mietsache ausgetauscht, dies geschah jedoch, nachdem der Mieter im Mai 2019 freiwillig aus der Mietsache ausgezogen war. Zu diesem Zeitpunkt bestanden bereits erhebliche Zahlungsrückstände. Tatsächlich hatte der Mieter seit Januar 2019 keine Miete mehr gezahlt. In einer E-Mail ihres Anwalts vom 4. Juli 2019 vertrat die Mieterin dann zunächst den Standpunkt, dass das Mietverhältnis in gegenseitigem Einvernehmen beendet worden sei, fragte aber auf den Standpunkt des Vermieters hin, dass das Mietverhältnis noch laufe, ob der Vermieter bereit sei, das Mietverhältnis (wieder) zu übernehmen. Daraufhin antwortete der Vermieter, dass diese Bereitschaft aufgrund von Zahlungsrückständen nicht bestehe.

Nach Ansicht von Valk kam diese Haltung unmissverständlich einer Aussetzung gleich. Nach Ansicht des Berufungsgerichts war der Zahlungsverzug des Mieters ein Grund dafür, dass der Vermieter den Mietzins nicht zur Verfügung stellen musste. Es sei nicht falsch oder unverständlich, dass das Berufungsgericht entschieden habe, dass dem Vermieter tatsächlich ein Aussetzungsrecht zustehe. Dem stehe nicht entgegen, dass es sich bei der Pflicht zur Gewährung des Mietzinses um eine Dauerschuld und im Übrigen um die Hauptpflicht des Vermieters handele. Auch der Umstand, dass eine Auflösung durch den Vermieter nur auf gerichtlichem Wege möglich ist, stand dem nicht entgegen.

Der Klarheit halber wurde Folgendes angemerkt. Nach Ansicht des Berufungsgerichts enthielt das Verhalten des Vermieters nichts Rechtswidriges. Selbstverständlich darf ein Vermieter, der sich mit einem (erheblichen) Zahlungsrückstand des Mieters konfrontiert sieht, versuchen, den Mieter zum Verlassen der Mietsache zu bewegen, solange dieser Veranlassungsversuch kein rechtswidriges Element (insbesondere auch keine Gewalt, Drohung oder Trickserei) enthält.

Fazit

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen war der Mieter auch in der Kassationsbeschwerde erfolglos.

Daraus lässt sich schließen, dass ein Vermieter seinem Mieter unter bestimmten Umständen den Zugang zum Mietobjekt verweigern kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass er, um den Mieter loszuwerden, einfach die Schlösser ohne Rücksprache austauschen kann. Hierfür sollte weiterhin der Rechtsweg beschritten werden.

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