Eine VvE wurde kürzlich verklagt, weil sie auf dem Grundstück eines Nachbarn Balkone angebracht hatte. Der Nachbar verlangte in einem Eilverfahren, dass die Balkone entfernt werden sollten, da dies sein Eigentumsrecht verletze. In dem Fall, der vor dem Landgericht Amsterdam verhandelt wurde, ging es um Folgendes.
Der Sachverhalt
Die VvE-Mitglieder sind Eigentümer der Wohnungen in einem Gebäude, das bis an die Grundstücksgrenze des Klägers (des Nachbarn) gebaut ist. Das Grundstück hat keinen Garten und (bis vor kurzem) keine Balkone. Auf dem Grundstück des Nachbarn befindet sich ein Schuppen mit Satteldach und Tageslicht.
Die Gemeinde Amsterdam erteilte eine Umweltgenehmigung für den Anbau von zwei Balkonen an der Rückfassade des Grundstücks der VvE. Die Genehmigung lautet auf den Namen des Architekten. Nachdem die Genehmigung erteilt worden war, ersuchte der VvE den Nachbarn, auf seinem Grundstück ein Gerüst für die notwendigen Bauarbeiten an der Rückseite des Grundstücks aufzustellen. Der Nachbar erteilte diese Erlaubnis.
Mit E-Mail vom 21. Mai 2023 schrieb der Anwalt des Nachbarn an den VVE, dass die Genehmigung für die Errichtung von zwei Balkonen an der Rückfassade des Grundstücks, mit deren Bau der VVE inzwischen begonnen hatte, nicht erteilt wurde.
Mit E-Mail vom 23. Mai 2023 antwortete der Anwalt des VvE wie folgt:
"Um Mandanten beraten zu können, muss klargestellt werden, welches rechtlich beachtliche Interesse Ihr Mandant hat, sich unter Berufung auf das Nachbarschaftsrecht gegen die Anbringung der genehmigten Balkone zu wehren. Die bloße Berufung auf die Bestimmungen des Paragraphen 5:50(1) des Bürgerlichen Gesetzbuches ist hierfür nicht ausreichend. Die Bauherren teilen mir mit, dass die Arbeiten mindestens bis zum 12. Juni 2023 nicht fortgesetzt werden. Dies gibt uns Raum, um in die (gütliche) Beratung/Diskussion einzutreten."
Mit E-Mail vom 22. Juni 2023 teilte der Anwalt des Nachbarn dem Anwalt des VvE mit, dass sein Mandant ihm gerade telefonisch mitgeteilt habe, dass der VvE die Balkone anbringe. Der VVE wurde aufgefordert, die Arbeiten sofort einzustellen, andernfalls würde ein Schnellverfahren eingeleitet.
Mit E-Mail vom selben Tag teilte der Anwalt des VvE mit, dass er der Aufforderung nicht nachkommen werde. Der Anwalt des Nachbarn entgegnete, es handele sich um einen Fall von Eigeninteresse. Der Anwalt des VvE antwortete darauf wie folgt:
"Die rechtlich relevante Frage ist, ob der Verstoß im Hinblick auf das Interesse Ihres Mandanten an der Verweigerung als rechtswidrig zu qualifizieren ist. Das Interesse liegt nämlich nicht in der Verletzung des Eigentums Ihres Mandanten 'per se'. Denn die Verweigerung ist materiell durch den Wunsch Ihrer Mandantin motiviert, zu gegebener Zeit an anderer Stelle bauen zu können, ohne dass andere Bauherren Einwände gegen das Bauvorhaben erheben. Daran ändert sich auch nichts Wesentliches. Ob mit oder ohne Balkone, die Aussicht vom Dach des betreffenden Grundstücks ist dieselbe. Die Ablehnung stellt einen Rechtsmissbrauch dar."
Die Klage des Nachbarn
Daraufhin leitete der Nachbar ein Eilverfahren ein, in dem er die Beseitigung der Balkone unter Androhung eines Zwangsgeldes verlangte und der VvE die Kosten auferlegte.
Der Nachbar begründete seinen Beseitigungsanspruch damit, dass der VvE willkürlich gehandelt habe, indem er ohne Umweltgenehmigung und ohne seine Zustimmung zwei Balkone an der Rückfassade angebracht habe.
Urteil des Gerichts
Nach Ansicht des Gerichts war dieses Argument des Nachbarn nicht stichhaltig.
Soweit bereits einschlägig, wurde im Namen des VvE erläutert, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass eine Umweltgenehmigung auf den Namen des Architekten ausgestellt werde. Aus der Baugenehmigung gehe hervor, dass sie für das Grundstück des VvE beantragt und erteilt worden sei. Dies machte es nach Ansicht des Gerichts vorläufig hinreichend plausibel, dass die VvE über eine Umweltgenehmigung verfügte.
Nach Ansicht des Nachbarn verletzte der VVE seine Eigentumsrechte, weil sich die Balkone über seinem Grundstück befanden. Das Verhalten des VVE kam einer Eigenmächtigkeit gleich und sollte nicht belohnt werden: Der VVE wusste, dass er nicht bereit war, eine Genehmigung zu erteilen, brachte die Balkone aber trotzdem an. Allein aus diesem Grund sollten die Balkone entfernt werden. An der Beendigung dieser Situation hat er ein dringendes Interesse.
Auch dies ist nach Ansicht des Gerichts nicht zutreffend:
"Aus dem Gesetz (Buch 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) ergibt sich nicht, dass (in allen Fällen) für die Anbringung eines Balkons über dem Grund und Boden eines anderen die vorherige Zustimmung erforderlich ist. Während Artikel 5:21 Absatz 1 des DCC festlegt, dass die Nutzungsbefugnis des Grundstückseigentümers die Befugnis zur Nutzung des Raums über der Oberfläche einschließt, bestimmt Absatz 2, dass die Nutzung dieses Raums durch andere zulässig ist, wenn er so hoch ist, dass der Eigentümer kein Interesse daran hat, sich dieser Nutzung zu widersetzen. Darüber hinaus sieht Artikel 5:54 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor, dass, wenn ein Bauwerk über dem Hof eines anderen errichtet worden ist (wie hier die Balkone) und der Eigentümer des Bauwerks (der Balkone) durch die Beseitigung des überstehenden Teils unverhältnismäßig stärker benachteiligt wird als der Eigentümer des Hofes durch die Beibehaltung dieses Teils, der Eigentümer des Bauwerks (der Balkone) jederzeit verlangen kann, dass ihm gegen Entschädigung eine Dienstbarkeit zur Beibehaltung des bestehenden Zustands eingeräumt wird. Kurz gesagt, das Recht des Eigentümers aus Abschnitt 5:21(1) des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist nicht absolut".
Nach Ansicht des Gerichts stellte sich daher die Frage, ob der VvE vernünftigerweise hätte entscheiden können, die Balkone anzubringen, wenn er gewusst hätte, dass der Nachbar Einwände hatte. Das Gericht bejahte diese Frage. Nach Ansicht des Gerichts war es vorerst plausibel, dass das Gericht in der Hauptsache entscheiden würde, dass der Nachbar kein oder zumindest kein ausreichendes Interesse an der Entfernung der Balkone hatte. Diese befinden sich zwar oberhalb seines Grundstücks, es ist aber weder dargelegt noch nachgewiesen worden, dass die derzeitige Nutzung dieses Grundstücks durch die Balkone beeinträchtigt wird oder dass seine zukünftigen Pläne mit diesem Grundstück dadurch unmöglich werden. Es kann also keine Rede davon sein, dass der VvE von sich aus tätig wird. Das Gesetz schreibt nicht vor, dass der VvE eine (vorherige) Genehmigung des Grundstückseigentümers benötigt, bevor er Balkone anbringen darf. Der VvE durfte abwägen, dass der Nachbar kein oder zumindest kein ausreichendes Interesse hatte, sich dem entgegenzustellen. Der Nachbar hat auch gar nicht vorgetragen, dass er als Grundstückseigentümer ein Interesse an der Entfernung der Balkone hat. Offenbar ging es ihm um etwas ganz anderes. Der Nachbar beabsichtigte, auf einem (ihm ebenfalls gehörenden) Nachbargrundstück in die Höhe zu bauen, was aber für dieses Grundstück nicht galt.
Die vom Nachbarn beantragte Beseitigung der Balkone wurde daher abgelehnt.
Haben Sie Fragen oder wünschen Sie eine Beratung in Sachen VvE oder Nachbarrecht? Dann wenden Sie sich bitte unverbindlich an einen unserer Anwälte. Wir helfen Ihnen gerne weiter!