Der Arbeitgeber ändert seine Meinung und will den Arbeitsvertrag doch nicht verlängern
Wie unsere treuen Leserinnen und Leser sicher wissen, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat vor Ablauf des befristeten Arbeitsvertrags schriftlich mitteilen, ob und unter welchen Bedingungen dieser verlängert werden soll. Doch wie ist die Rechtslage, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zunächst mitteilt, dass er den Arbeitsvertrag verlängern will, es sich dann aber anders überlegt? Kein unbedeutendes Detail: Das Angebot wurde nach Bekanntgabe der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin zurückgezogen.
Sachverhalt
In dem Fall, der kürzlich vor dem Amtsgericht Utrecht verhandelt wurde, ging es um Folgendes. Am 1. Juni 2021 trat die Arbeitnehmerin mit einem Einjahresvertrag als Business Development Manager in den Dienst des Arbeitgebers. Am 22. Dezember 2021 und am 4. Mai 2022 wurde die Arbeitnehmerin in POP-Beurteilungsgesprächen zufriedenstellend beurteilt, es gab jedoch Verbesserungsmöglichkeiten. In dem Gespräch am 4. Mai teilte der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis über den 31. Mai 2022 hinaus verlängert würde und dass sie anhand eines Aktionsplans an ihren Verbesserungsbereichen arbeiten solle. Die Arbeitnehmerin erstellte daraufhin einen Aktionsplan mit einer Frist im Juli 2022.
Am 12. Mai 2022 übermittelte die Arbeitnehmerin über DocuSign ein (im Namen des Arbeitgebers unterzeichnetes) Angebot ihres Arbeitgebers für die Verlängerung des Arbeitsvertrags um ein Jahr.
Die Verlängerung des Arbeitsvertrags wurde dann am 18. Mai 2022 besprochen. Die Arbeitnehmerin beantragte einen unbefristeten Vertrag, was der Arbeitgeber jedoch nicht wollte. Daraufhin wurde vereinbart, dass im September 2022 geprüft wird, ob der befristete Vertrag noch in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt werden kann. Die Arbeitnehmerin argumentiert, dass sie nach dieser Zusage noch mündlich einer befristeten Verlängerung ab dem 1. Juni 2022 zugestimmt habe.
Der Arbeitgeber bestreitet dies jedoch: Die Arbeitnehmerin habe nicht ein einziges Mal zu erkennen gegeben, dass sie mit dem Angebot einverstanden sei und den Vertrag unterschreiben wolle. Am selben Tag, also am 18. Mai 2022, machte der Arbeitgeber den befristeten Arbeitsvertrag auf DocuSign mit der Begründung ³eabgelaufen³c ungültig. Hierüber erhielt die Arbeitnehmerin eine Mitteilung von DocuSign. Am nächsten Tag schickte der Arbeitnehmer an die Personalabteilung: "Oh verdammt Jo! Ich bin spät dran!!! Kannst du es noch einmal schicken?" Ebenfalls an diesem Tag, dem 19. Mai 2022, teilte die Mitarbeiterin der Personalabteilung in einem Bürogespräch mit, dass sie schwanger sei. Am nächsten Tag, einem Freitag, arbeitete die Mitarbeiterin zu Hause.
Am darauffolgenden Montag wurde der Arbeitnehmerin im Büro mitgeteilt, dass das Angebot zur Verlängerung des Arbeitsvertrags zurückgezogen worden sei, dass der Arbeitsvertrag am 31. Mai 2022 enden würde und dass sie bis dahin suspendiert sei.
Die Arbeitnehmerin ließ das nicht auf sich sitzen und zog vor Gericht. Sie verlangte in erster Linie die Erfüllung des befristeten Arbeitsvertrags ab dem 1. Juni 2022, die Zahlung ihres Gehalts, die gesetzliche Erhöhung und die gesetzlichen Zinsen. Hilfsweise beantragte sie die Feststellung, dass ihr Arbeitgeber rechtswidrig gehandelt habe, indem er den Arbeitsvertrag unter Verstoß gegen die Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht über den 1. Juni 2022 hinaus verlängert habe, und forderte Schadensersatz.
Wie urteilt das Amtsgericht?
Angebot und Annahme
Das Amtsgericht prüft zunächst, ob der Arbeitsvertrag über den 31. Mai 2022 hinaus fortbesteht oder nicht. Hier kommt die Lehre von Angebot und Annahme ins Spiel. Denn so kommt ein Arbeitsvertrag zustande, und das kann mündlich oder schriftlich geschehen. Das Amtsgericht entschied, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Annahme des Angebots bereits während des Gesprächs am 18. Mai erfolgt sei.
Der Arbeitgeber hat das Angebot am Mittwoch, den 18. Mai, am Ende des Tages (und damit bevor er von der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin wusste) für ungültig erklärt. Das Amtssgericht stellte jedoch fest, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin erst am 23. Mai 2022 über die Rücknahme des Angebots informierte und dass die Arbeitnehmerin zu diesem Zeitpunkt auch nur suspendiert war. Hätte der Arbeitgeber bereits am 18. Mai 2022 beschlossen, das Angebot endgültig zurückzuziehen, wäre es dem Arbeitnehmer zumutbar gewesen, dies im Gespräch am 19. Mai 2022 mitzuteilen. Dies hat der Arbeitgeber nicht getan. Da er dies erst tat, nachdem er von der Schwangerschaft wusste, besteht die Vermutung, dass der Arbeitgeber das Angebot, den Arbeitsvertrag zu verlängern, wegen der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin zurückgezogen hat. Aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre, hat der Arbeitgeber gegen die guten Beschäftigungspraktiken verstoßen.
Gute Arbeitspraxis
Schließlich hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin in dem Gespräch am 18. Mai 2022 nicht darauf hingewiesen, dass er das Angebot zurückziehen würde, wenn sie an diesem Tag nicht unterschreibt. Nach Ansicht des Landgerichts musste die Arbeitnehmerin dies auch nicht wissen. Schließlich ging es bei den Verhandlungen um eine Verlängerung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, und am 18. Mai hatten die Parteien einen Mittelweg gefunden. So wurde vereinbart, dass bei Erreichen der Ziele des Aktionsplans bereits im September 2022 über eine unbefristete Verlängerung entschieden werden soll.
Nach Ansicht des Amtsgerichts zeigt das Verhalten der Arbeitnehmerin hinreichend, dass sie das Angebot wenn nicht in, so doch zumindest nach dem Gespräch vom 18. Mai angenommen hat. So bat sie am 19. Mai 2022 die Personalabteilung um einen neuen Link (zur Einsicht und Annahme) des Angebots in DocuSign. Außerdem vereinbarte die Mitarbeiterin am selben Tag mit ihren Kollegen, ihre Schwangerschaft in einer Teamsitzung am Montag, dem 23. Mai 2022, bekannt zu geben. Über die Ankündigung des Ausscheidens sprachen die Parteien zu diesem Zeitpunkt nicht. Offensichtlich gingen sie also zu diesem Zeitpunkt nicht davon aus. Ferner steht fest, dass sich die Arbeitnehmerin am Freitag, dem 20. Mai 2022, für ein Stipendium zum 1. Juli 2022 anmeldete und dass sie die Bewertungszeitpunkte aus dem Aktionsplan bis September 2022 in ihren Terminkalender und in den eines Kollegen eintrug.
Der Arbeitgeber hätte daher wissen müssen, dass seine Ankündigung vom 23. Mai 2022, das Angebot sei zurückgezogen worden und die Arbeitnehmerin könne sofort gehen, die Arbeitnehmerin völlig überraschen würde. Der Arbeitnehmer konnte dies nicht aus der automatisch generierten Mitteilung von DocuSign vom 18. Mai 2022 ableiten, dass das Dokument für ungültig erklärt worden war, weil es abgelaufen war. Der Arbeitgeber ließ den Arbeitnehmer am und nach dem 18. Mai 2022 in dem Glauben, dass die Verlängerung eine Tatsache sei.
Unter diesen Umständen stand es dem Arbeitgeber nicht frei, das Angebot zurückzuziehen. Da der Arbeitnehmer das Angebot annahm, wurde eine einjährige Verlängerung des Arbeitsvertrags mit Wirkung vom 1. Juni 2022 festgestellt.
Schlussfolgerung
Das Amtsgericht gab daher der Klage auf Entgeltfortzahlung ab dem 1. Juni 2022 statt. Der gesetzliche Zuschlag für die verspätete Lohnzahlung wurde jedoch auf 25 % gemildert, da sich die Arbeitnehmerin zunächst mit dem Ende ihres Arbeitsvertrags abgefunden zu haben scheint und sich erst mit einem Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 16. August 2022 auf die Erfüllung des Arbeitsvertrags berief.
Das vollständige Urteil können Sie hier lesen.
Aus diesem Urteil geht also hervor, dass ein Arbeitgeber ein unterbreitetes Verlängerungsangebot nicht einfach zurückziehen darf, wenn die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind. Haben auch Sie Fragen zum Arbeitsrecht? Das erfahrene Team von SPEE Rechtsanwälte & Mediation hilft Ihnen gerne weiter.