Dass der Arbeitgeber nach einer Krankmeldung eines Mitarbeiters die Unterstützung des Betriebsarztes in Anspruch nehmen muss, ist Ihnen sicher bekannt. Aber haben Sie auch bedacht, dass der Betriebsarzt auch eine Rolle bei der Verhinderung von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit hat? Das Gericht in Den Haag hat sich kürzlich mit dieser Frage beschäftigt. Wir freuen uns, dieses Urteil mit Ihnen zu teilen.
Der Sachverhalt
Der Arbeitgeber hat einen Beschäftigungskonflikt mit zwei Mitarbeitern. Nach verschiedenen Komplikationen melden sie sich krank und beide Mitarbeiter suchen die Betriebsarztpraxis auf. Der Arzt gibt die folgende Rückmeldung:
“ Fazit zur krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit
Es liegt keine Arbeitsunfähigkeit im engeren Sinne aufgrund von Krankheit oder Behinderung vor. Die betroffene Person leidet jedoch unter echten Symptomen, die meiner Meinung nach ihren Ursprung in arbeitsbedingten Problemen haben, die über einen langen Zeitraum hinweg erlebt wurden. Meiner Meinung nach kann die Wiederaufnahme der Arbeit nicht einfach aus medizinisch präventiver Sicht erfolgen, ohne dass die Probleme des Mitarbeiters gelöst werden.
Beratung (einschließlich Wiederaufnahme der Arbeit)
Arbeitsbezogene Probleme sollten dort gelöst werden, wo sie entstanden sind, nämlich am Arbeitsplatz. Besprechen und finden Sie eine Lösung für das gestörte Arbeitsverhältnis. Herr [Mitarbeiter 1] [bzw. Herr [Mitarbeiter 2] ; Zusatzgericht] gibt an, für Gespräche offen zu sein. Ich empfehle den Einsatz und die Begleitung durch einen Mediator (...).
Aufgrund der aktuellen Beschwerden und aus präventiver Sicht halte ich es für sinnvoll, die Mediation ab Woche 4 (und damit nicht sofort) zu beginnen.
Fortsetzung
Ab sofort kann eine Wiederherstellungsmeldung eingereicht werden. Wird der Krankenstand nicht beendet, muss der WvP weiterhin eingehalten werden. (...)
Daraufhin ließen die Mitarbeiter am 10. Februar 2020 verlauten, dass sie dem Rat des Betriebsarztes, eine Mediation einzuleiten, folgen möchten. Die Mitarbeiter forderten auch die Fortzahlung ihres Gehalts. Der Arbeitgeber sah dies jedoch nicht ein und teilte den Mitarbeitern mit, dass ihr Gehalt für die Zeit, in der sie nicht zur Arbeit erschienen, ausgesetzt würde, da sie nicht krank seien.
Der Arbeitgeber gab auch an, dass er bei einer Mediation mitarbeiten würde, sofern die Arbeitnehmer die Kosten selbst tragen würden. Der Arbeitgeber selbst hält die Schlichtung nicht für notwendig; nach seiner Auffassung ist eine normale Zusammenarbeit durchaus möglich, wenn sich die Mitarbeiter an die im Unternehmen geltenden Regeln halten und die Anweisungen des Geschäftsführers korrekt befolgen.
Am 24. Februar 2020 schickte der Arbeitgeber ein Schreiben an beide Mitarbeiter, in dem er ihnen mitteilte, dass sie mit sofortiger Wirkung entlassen würden, wenn sie nicht bis zum 27. Februar 2020 zur Arbeit erscheinen würden. Dieser fristlosen Kündigung folgte am 28. Februar 2020 ein Schreiben mit der Begründung der "Arbeitsverweigerung". Der Arbeitgeber verlangte von beiden Arbeitnehmern auch einen pauschalen Schadensersatz.
Die Mitarbeiter gingen zum Amtsgericht und beantragten die Feststellung, dass die fristlose Kündigung nicht rechtswirksam sei. Sie forderten eine Entschädigung wegen ungerechtfertigter Entlassung, Übergangsgeld und eine angemessene Vergütung. Darüber hinaus verlangten die Mitarbeiter die Zahlung von Lohnnachzahlungen.
In erster Instanz entschied das Amtsgericht, dass beide fristlosen Kündigungen nicht rechtswirksam waren. Den Mitarbeitern wurden pauschaler Schadensersatz, Übergangsgeld, angemessene Vergütung, Lohnnachzahlung etc. zugesprochen.
Beurteilung durch das Berufungsgericht
Sie ahnen es: Der Arbeitgeber ist nicht zufrieden und legt Einspruch ein. Der Arbeitgeber beantragte, die Entscheidungen des Amtsgerichts aufzuheben und den Anträgen des Arbeitgebers stattzugeben. Die Berufung des Arbeitgebers blieb jedoch ebenfalls erfolglos, da das Berufungsgericht entschied, dass:
“Auch wenn keine Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Krankheit oder einer anderen medizinischen Ursache (mehr) vorliegt, ist der Betriebsarzt aus medizinischer Sicht hervorragend geeignet, eine Lösung zur Normalisierung der Arbeitsbedingungen zu beraten, damit der Arbeitnehmer seine Tätigkeit wieder aufnehmen kann". [Mitarbeiter 1] und Mitarbeiter 2] konnten sich vernünftigerweise auf diesen Rat - ein Gespräch unter Anleitung eines Mediators - verlassen, und es war ihnen daher nicht zuzumuten, ihre Arbeit ohne ein solches Gespräch unter Anleitung eines Mediators wieder aufzunehmen."
Der Umstand, dass der Betriebsarzt vor seinem Ratschlag nicht mit dem Arbeitgeber gesprochen hat, macht diesen Ratschlag nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht unsolide, geschweige denn, dass sich das Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber nicht nach dem Ratschlag des Betriebsarztes richten sollte.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts wäre es Sache des Arbeitgebers gewesen, ein Gutachten des UWV einzuholen, wenn er mit dem Rat des Betriebsarztes nicht einverstanden war. Dies hat der Arbeitgeber aber nicht getan. Der Arbeitgeber hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass er die Kosten der Mediation nicht tragen kann. Das Berufungsgericht stellte fest, dass dem Arbeitgeber die Übernahme dieser Kosten zugemutet werden musste, was in einem Arbeitsverhältnis üblich ist.
Das vollständige Urteil können Sie hier lesen.
Kurzum: Auch die präventive Rolle des Betriebsarztes sollte nicht unterschätzt werden! Auch die Arbeitgeber müssen solche präventiven Ratschläge befolgen. Ziehen Sie im Zweifelsfall rechtzeitig einen Anwalt für Arbeitsrecht hinzu. SPEE advocaten & Mediation steht Ihnen gerne zur Verfügung.